Ein kleines jüdisches Schtetl irgendwo im Osten Europas., 1941. Schlomo, der Dorfnarr, überbringt schlimme Nachrichten: die deutschen Truppen rücken vor, jüdische Dörfer werden eliminiert, ihre Bewohner getötet oder verschleppt.
Noch am selben Abend ruft der Rabbi den Rat der Weisen ein und ausgerechnet Schlomo hat die rettende Idee: um der drohenden Deportation durch die Nazitruppen zuvorzukommen, beschließen die Dorfbewohner, sich selbst zu deportieren und so vor den Deutschen über Russland bis nach Palästina zu fliehen. Stück für Stück wird ein maroder Güterzug zusammengekauft, Vorräte werden angelegt, einigen der Dorfbewohner wird eine Naziuniform geschneidert und akzentfreies Deutsch beigebracht.
Eines Nachts beginnt der ZUG DES LEBENS mit allen Dorfbewohnern seine Irrfahrt in das gelobte Land, Eretz Israel. Unter der allgegenwärtigen Angst, von den echten Deutschen entdeckt zu werden, beginnendie Fliehenden sich zunehmend in ihren Rollenspielen zu verlieren: die falschen Uniformträger nehmen sich plötzlich sehr wichtig, in der neu gegründeten kommunistischen Gruppe an Bord regt sich heftiger Widerstand gegen diese "bourgeoisen Faschisten".
So rollt der Zug weiter, verfolgt nicht nur von den Deutschen, sondern auch von Partisanen, die ihn sprengen wollen. Mit Mut und Witz meistern die Zuginsassen die heikelsten Sitauationen, bis sie sich schließlich der Frontlinie nähern. Besteht eine Aussicht, diese letzte Grenze zu passieren? Sitzen sie wirklich im ZUG DES LEBENS?
Roberto Begninis "Das Leben ist schön" hat die Richtung vorgegeben, "Zug des Lebens" geht noch einen Schritt weiter: Ein Film über die Shoah und gleichtig ein Film voller Slapstick, Situationskomik und absurden Humors. Darf über dieses ernste Thema denn gelacht werden?
Regisseur Radu Hihaleanu, selbst Jude, meint dazu: "Es ist Zeit, in einem neuen Stil über die Shoah zu sprechen. Viele haben vor allem den Tod gezeigt. Ich zeige das Leben, das da getötet wurde." und weiters: "Jüdischer Humor ist nie zynisch. Er wahrt immer die Würde derer, über die man lacht."
Review
Eines gleich vorweg: Ich weigere mich "Train de vie" mit Roberto Benignis "La vita e bella" zu vergleichen.
"Train de vie" verbreitet von Anfang an eine tief melancholische Grundstimmung. Das Unglück ist da, es wird hereinbrechen, es muss, wenn nicht alle Gesetze der Wahrscheinlichkeit aufgehoben sind, hereinbrechen. Dieses Bewusstsein begleitet uns durch den gesamten Film, durch alle absurden glückhaften Wendungen und last-mimute-rescues.
Die Bewohner des Schtetls sind tragische Schildbürger. Wie diese widmen sie sich mit aller zur Verfügung stehenden Energie einer offenbar völlig wahnwitzigen Aufgabe. Aber nicht Dummheit ist ihr Antrieb sondern tiefe Verzweiflung. Dass Angesichts des Wahnsinns der drohende Gefahr Tabus fallen, ist nicht verwunderlicher. Schon mehr verwundert da das beinahe sture Festhalten an liebgewonnene Gewohnheiten. Die ungewohnte Situation wirft eine Reihe von Fragen auf: Darf man mit einer Nazi-Kopfbedeckung beten? Ist ein Feuer, über dem ein Schwein geröstet wurde, noch koscher? Und kann man Kommunist und orthodoxer Jude gleichzeitig sein?
"Train de vie" bezieht den Großteil seiner Komik aus dem Blick auf die menschlichen Schwächen. Wie alle Schelmenstücke schreckt er auch vor Schablonisierung nicht zurück. Der weise Narr, der gelehrte Rabbi, den seine Frau regelmäßig auf den Boden der Realität zurückholen muss, der weltabgewandte junge Student, der den Verführungskünsten der Dorfschönheit erliegt und von einer glutäugigen Zigeunerin von seiner Eifersucht geheilt wird, sie entstammen dem internationalen Repertoire des Volksstücks.
Es gibt viele Filme, welche die Faszination unmenschlicher Massenmörder ausnutzen. "Train de vie" stellt die Opfer in den Mittelpunkt. Und er zeigt sie nicht beim Sterben sondern beim Leben, das banal sein kann, lächerlich oder tadelnswert. Das Grauen kann nicht ausgespart werden, aber es wird, vorläufig, zurückgestellt. Das Lachen und Leben hat Vorrang, der Schrecken kommt früh genug.
"Train de vie" ist ein Film, dem es gelingt, mit kleinen Mitteln große Emotionen hervorzurufen. Kein perfekter Film, aber ein wichtiger.
Trailer
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Details
- Schauspieler
- Lionel Abelanski, Rufus, Clément Harari, Marie-José Nat, Agathe De la Fontaine, Bruno Abraham-Kremer, Michel Müller
- Regie
- Radu Mihaileanu
- Kamera
- Yorgos Arvanitis
- Author
- Radu Mihaileanu
- Musik
- Goran Bregovic
Bilder
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