"Wolves at the Door": Gesichtslose Mörder
Bis in die Haarspitzen vollgepumpt mit Drogen werden ein paar junge Leute im Sommer 1969 von ihrem „Familienvater“ Charles Manson losgeschickt, um Menschen zu massakrieren. Das prominenteste Opfer war Roman Polanskis Ehefrau - die hochschwangere Sharon Tate. Über die Gründe dafür rätselt man noch heute: war es die pure Lust am Töten oder sollten die kruden Theorien des selbsternannten Sektenführers durch die Morde unterstützt werden?
(K)eine wahre Begebenheit
Ebenso fragwürdig ist es, wenn nun ein Regisseur darauf verfällt, die damaligen Ereignisse für einen Film auszuschlachten. „Annabelle“-Regisseur John R. Leonetti schickt seinem Werk die großspurige Info „Beruhend auf wahren Ereignissen“ voraus, nimmt sich dann aber jede Menge Freiheiten im Umgang mit der Vergangenheit heraus, indem er beispielsweise die Chronologie durcheinanderbringt und zwei andere Bluttaten einfach weglässt. [SPOILER ANFANG]. So fand erst in der Nacht nach dem Gemetzel im Tate-Anwesen ein Einbruch in der Villa des italienischen Supermarktbesitzers LaBianca statt, dem dieser Mann und seine Frau zum Opfer fielen. Leonetti verlegt diesen Vorfall in die Nacht davor und lässt das Ehepaar unverletzt davonkommen. Nur das (mit wessen Blut denn nun eigentlich?) an die Tür und Wand geschriebene „Little Pig“ darf dann doch nicht fehlen. [SPOILER ENDE]
Vier geisterhafte Täter
Stattdessen nimmt hier das Herumgehusche im Haus der vier jungen Opfer die meiste Zeit in Anspruch, weil die geisterhaften Eindringlinge mit ihnen Katz + Maus spielen. Die größte Wirkung erzielt Leonetti in seinem weder inszenatorischen noch schauspielerisch bemerkenswerten Film durch die Entscheidung, den vier Tätern Gesichter und Stimmen vorzuenthalten und auf jede Erklärung für ihre Handlungen zu verzichten. Die drei Frauen und der Mann bleiben stumm und werde nie gut sichtbar, sondern durchqueren bloß im Hintergrund das Bild oder halten sich im Schatten und geben dunkle Silhouetten ab, die ihren Opfern mit provozierend langsamen Bewegungen zuwinken – einzige ihre Stichwaffen blitzen auf, und der männliche Mörder, den der Film zum emotionslos-roboterhaften Monster vom Schlag eines Jason oder anderer Killer aus Slasher-Movies hochstilisiert, darf öfter einen riesigen Vorschlaghammer schwingen (eine theatralische Waffe, die bei den wahren Verbrechen nicht verwendet wurde). Der Film ist allerdings auch kein richtig blutiger Schocker, da die Morde entweder gar nicht oder nur sehr zurückhaltend gezeigt werden: als etwa ein Mann durch Messerstiche stirbt, sieht man die Tat nur als Reflexion in einem dunklen Fernsehschirm; und man ist selbstverständlich auch gar nicht darauf erpicht, dabei zuzusehen, wie eine Schwangere abgeschlachtet wird.
Manson als zugkräftiger Name
Nach dem - mit knapp 70 Minuten Laufzeit erstaunlich kurzen - Film werden dann noch die Bilder der realen Täter mit erklärenden Texten eingeblendet und ein paar Originalaufnahmen vom Tatort sowie von Manson und den mörderischen Frauen sind ebenfalls angehängt. Der Verdacht liegt nahe, dass hier ein berühmt-berüchtigter Name und die Erinnerung an schreckliche Verbrechen dazu benutzt werden sollen, einen mittelmäßigen Film, an dem vermutlich sonst niemand Interesse hätte, aufzuwerten. Das ergibt eine Spekulation mit der Sensationsgier, die sich gefährlich schnell als pietätlos den damaligen Opfern gegenüber erweisen könnte.
6 von 10 gesichtslosen Schattenpunkten
franco schedl