WER FUSSBALL SPIELT, WIRD GESTEINIGT

Bewaffnete Männer geben per Megafon neue Verordnungen durch: Rauchen verboten. Fußball verboten. Musik verboten. Wer sich nicht fügt, wird ausgepeitscht. Oder gesteinigt.

All diese Ereignisse könnte man zu einem drastischen Drama verarbeiten. Doch Abderrahmane Sissako ("Bamako"), ein großer Regisseur aus dem südsaharischen Afrika, geht einen leiseren Weg und beweist sich erneut als der Meistererzähler, der er ist. In "Timbuktu" berichtet er davon, wie 2012 Islamisten die Stadt in Mali besetzen und dort die Bevölkerung drangsalieren. Zu dieser Zeit geraten auch ein Nomade und ein Fischer über eine Kuh in einen Streit, der eine tragische Kettenreaktion in Gang setzt.

Sissako wählt für die Schilderung dieser dramatischen Ereignisse die ruhige Beobachtung und sieht dabei zu, wie Menschen handeln, sich widersetzen – und dabei auch scheitern.

Die Frau, die ausgepeitscht wird, weil sie gesungen hat, fängt während ihrer Bestrafung wieder zu singen an – und ihr Schmerz entfaltet sich in der Stille des Bildes mit umso größerer Wucht.

Gleichzeitig verzichtet Sissako aber auch auf stereotype Einseitigkeiten: Dass der fanatische Dschihadist heimlich raucht, räumt auch der Seite der Unterdrücker Menschlichkeit ein.

Zu den atemberaubendsten Momenten gehört jene Szene, in der eine Gruppe von Männern den verbotenen Fußball spielt – und zwar ohne Ball. Wie elegante Tänzer umspielen sie die imaginäre Kugel und entfalten dabei ein wunderbares Ballett der Fantasie, dessen utopische Schönheit einer grausamen Realität Widerstand leistet.