Als Werner Schroeter im Frühjahr 1978 mit den Dreharbeiten zu Weiße Reise begann, war das die Verwirklichung eines langen geplanten Projekts: ein Film mit dem Titel «Alle Matrosen der Welt», der alle bisherigen Erfahrungen zusammenfassen sollte, von Eika Katappa bis Der Tod der Maria Malibran. Ein Film mit großem Budget, der in den wichtigsten Häfen der Welt gedreht werden und Abenteuer und Lieben zweier Matrosen erzählen sollte. Da aus dem Entwurf nie etwas wurde und Schroeter anderen Verträgen nachkam, schien es, dass der Regisseur das Projekt nie realisieren würde. Aber durch einen dieser Zufälle, wie sie die Karriere eines Filmemachers säumen, traf er den Produzenten Eric Franck, der ihm anbot, das Projekt in völliger Freiheit zu realisieren, mit lächerlich geringen Mitteln (ein Budget von 70.000 Francs, eine Woche Drehzeit, geliehens Material, ein großes Haus als Studio), mit seinen Freunden, ob Schauspieler oder nicht (Maria Schneider, Margarethe Clementi, Jim Auwae und anderen) ... und so fand er plötzlich zu den Arbeitsbedingungen seiner Anfänge zurück, und auch - das ist eine der Lehren des Films - zu einer Art der Darstellung, zu einer Weise, eine Geschichte zu erzählen, und letztlich zu einem Stil und einer Ästhetik, die denen seiner allerersten Werke ähnlich sind, wo die Schauspieler wie in der Oper gestikulieren, und bewies damit einmal mehr, dass die Ästhetik eines Films immer seiner Ökonomie unterworfen ist. Das Resultat ist erstaunlich: Um die verschiedenen, aber nicht so gegensätzlichen Orte, wie es die Häfen von Neapel, Hamburg und San Francisco sind, vorzutäuschen, ließ er jeden Tag Kulissen anfertigen, vor denen sich die Schauspieler bewegten. Schwarze, figürliche Malereien, Volksmalereien, wie man sie an den einfachsten und ärmsten Häusern in Neapel und anderswo findet, woher die Mehrheit der Seeleute stammt. (...) Abenteuerfilm, Home Movie und Brecht'sches Drama gleichzeitig, ist Weiße Reise ein Film in Moll von einem Regisseur in Dur, in dem die menschlichen Gefühle sich in einem Augenblick aneinander stoßen und vermischen, in dem man nicht mehr weiß, ob man lachen oder weinen soll, in dem das Unechte sich als unecht zu deklarieren wagt. Ist das nicht das sicherste Mittel, zu einer gewissen Wahrheit der Inszenierung zu gelangen? (Gérard Courant, «Action République», 1981)
(Text: Viennale 2008)
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Details
- Schauspieler
- Jim Auwae, Tilly Soffing, Margarethe Clementi, Maria Schneider, Ursula Rodel, Marion Varella, Werner Schroeter
- Regie
- Werner Schroeter
- Kamera
- Werner Schroeter
- Author
- Werner Schroeter
- Musik
- Hawaianische Musik, Tino Rossi, Franz Schubert (Auswahl Werner Schroeter)