UNTER ALLER SAU
Irvine Welshs Romane gelten als schwere Kost. Ohne Rücksicht auf Grammatik oder Rechtschreibung, lässt er seine Figuren so sprechen, wie ihnen der schottische Mund gewachsen ist. Es erscheint ziemlich schwer, für diesen mit nervöser Spannung und viel Eigenwilligkeit durchwachsenen Erzählstil eine passende Filmsprache zu finden. Danny Boyle gelang es jedoch, dank der Verfilmung von Trainspotting Irvine Welsh international bekannt zu machen und auch andere Regisseure für seine Bücher zu interessieren. Jon S. Baird hat sich mit Drecksau eines der schwierigsten Werke ausgesucht, doch seinem Hauptdarsteller James McAvoy gelingt es perfekt, die verstörende Thematik einzufangen und ein ziemlich gutes Arschloch zu sein.
Bruce Robertson ist ein korruptes Polizisten-Schwein. Er kokst was das Zeug hält, zwingt minderjährige Opfer zum Oralsex, hat eine Affäre mit der Frau eines Kollegen und lässt auch sonst keine Gelegenheit aus, jemanden in irgendeiner Art und Weise bloßzustellen oder psychisch zu bekriegen. Mit Aussicht auf eine Beförderung, muss er noch dazu in der Vorweihnachtszeit einen rassistisch motivierten Mord aufklären. Der Druck der Öffentlichkeit, der dabei entsteht, passt ihm so gar nicht, denn viel lieber möchte er mit seinem Logenbruder Bladesey in Hamburg die Sau raus lassen und ihn auf andere Gedanken bringen. Dessen Frau wird nämlich von einem Perversling via obszönem Telefonterror belästigt - man muss nicht extra erwähnen, dass es Robertson selbst ist, der hier erneut seine kranken Spielchen auskostet. Als er jedoch eine junge verwitwete Familienmutter kennenlernt, scheint plötzlich die Welt des Polizisten zusammenzubrechen und eine irre Gefühls-Achterbahnfahrt beginnt
Jon S. Baird hat in seiner Adaption gewisse Sequenzen geändert bzw. völlig weggelassen. Nicht der Bandwurm, der in der Buchvorlage die Geschichte erzählt, sondern Robertson selbst schildert sein völlig verkorkstes Leben. Durch die nur am Rande vorkommende traumatische Vergangenheit des Polizisten, fällt eine psychologische Tiefendimension hier komplett weg. Natürlich entsteht im Kopf des Zusehers ein eigenes Bild des Protagonisten, was meist nicht sehr positiv ausfällt, man hat jedoch kaum Zeit, sich viele Gedanken darüber zu machen, denn so manisch-depressiv Robertson agiert, genau so aufwühlend und verstört reagiert man auf die zum Großteil sehr grotesken Bilder. Und eine Frage stellt man sich doch immer wieder: Robertson kann nicht oft genug seine Frau Carole erwähnen, die uns immer wieder leicht bekleidet verführerische Sätze entgegen haucht - und doch sieht man die beiden nie zusammen auftreten. Die Grenzen zwischen Realität und Einbildung verschmelzen vollkommen.
James McAvoy gelingt es, dem Charakter des Polizisten sowohl eine riesige Arschloch-Attitüde zu verpassen, als auch in den ruhigeren Momenten die Menschlichkeit hervorzukehren. Die Tragik, die hinter seinem zerstörerischem Treiben steckt, erreicht am Schluss, wo alles nach Happy End aussieht, den absoluten Höhepunkt. Ein verstörender und zugleich tief emotionaler Thriller, der sich verdammt nochmal starke 9 Punkte verdient!