Tropic of Cancer

Trópico de cáncer Mexiko , 2004

Min. 52
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Neben dem Highway 57, in der Wüste von San Luis Potosí und neben der wichtigsten Handelsroute Mexikos, leben Menschen zwischen Kakteen wie in prähistorischen Zeiten. Sie jagen mit selbstgebauten Fallen und Waffen alles, was sich zu lebenden oder toten Verkaufstrophäen weiterverarbeiten lässt: Vögel, Nagetiere, Schlangen und Schildkröten. Was ihnen der Hunger nicht abverlangt, verkaufen sie am Straßenrand an wohlhabende Autofahrer. Eugenio Polgovsky hat Alltagsmomente aus dem Leben dieser Jägerfamilien filmisch transzendiert. Das gleißende Sonnenlicht, das in einem optischen Täuschungsspiel dem Land vampirhaft Farbe zu entziehen scheint, vermittelt dabei ein erbarmungslos irdisches Grundgefühl, das vom Himmel kommt. Polgovsky entführt in diese Welt durch eine kontrastbetonte Kameraführung, die zwischen Plansequenzen und Detailaufnahmen wechselt. Ob er die 40 Quadratzentimeter «Lebensraum» eines gefangenen, in seinen Exkrementen sitzenden Vogels abtastet, der unter diesem Blick zum horrenden Monster mutiert, oder beim Beobachten des routinierten Werkens der Menschen auf Distanz geht Abstand und Nähe der Kamera liefern die emotionalen Zusammenhänge jeweils mit, lassen die karge Umgebung sowie das Ausgeliefertsein und die Todesangst erfühlen. «Das Leben ist harte Arbeit», lautet einer der wenigen Sätze, die in diesem Film fallen. Wenn die gefangenen Tiere, Schlangenhäute und Kakteen am wenige Kilometer entfernten Highway zum Verkauf angeboten werden, tritt der Film rhythmisch im Stakkato der vorüber donnernden Geländewagen und schicken Autos auf jener Stelle, an der die Jäger ihre Trophäen feil halten. Hier werden der Kaktus fürs Wohnzimmer, die Schlangenhaut als esoterisches Accessoire und Wüstenvögel als extravagante Haustiere erstanden. Trópico de cáncer erinnert an sozialkritische Filmessays von Fernando Birri oder von Santiago Álvarez und Julio García Espinosa, aber auch an die frühen, radikalen Werke von Jean Rouch. Und ist dabei vollkommen der zerrissenen Gegenwart unseres globalen Dorfes verpflichtet. (Verena Teissl)

(Text: Viennale 2005)

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