"Tiere und andere Menschen": 'Behinderter Hund? – Na und!'
Zu Beginn treffen verängstigte Tiere in ihren Käfigen ein, am Schluss wird ein geheilter Rabe in die Freiheit entlassen und in den dazwischenliegenden 80 Minuten erleben wir den tierreichen Gebäudekomplex im Süden Wiens aus allen möglichen Perspektiven.
Eine Kamera in Wiseman-Tradition
Regisseur Flavio Marchetti steht ganz in der Tradition des berühmten amerikanischen DokumentarfilmersFrederick Wiseman: das heißt, uns erwartet eine lockere Szenenfolge, die ganz ohne Kommentar oder Interviews auskommt. Stattdessen positioniert sich die Kamera so unauffällig wie möglich inmitten des Geschehens, um den Arbeitsalltag einzufangen und alle Anwesende (egal, ob Mensch oder Tier) verhalten sich so zwanglos, als wäre ihnen gar nicht bewusst, dass sie gerade gefilmt werden. Zwei Mitarbeiter diskutieren zum Beispiel über den Inhalt einer Tierzeitschrift: es geht um ein abzugebendes Mini-Pig (oder schreibt man doch lieber „Schwein“ für die 60plus-Generation?) und einen Artikel mit dem Titel „Behinderter Hund? – Na und?“ dienen als Blattfüller.
Tier-Geschichten
Im Mittelpunkt steht natürlich der Umgang mit den Tieren. Ein epileptischer Schwan muss eingeschläfert werden, ein schwer verletzter Biber ebenso, einem hochbeinigen Vogel kann geholfen werden, einem Papagei wird aus einem Kinderbuch vorgelesen, eine Schlange wird mit entsprechender Vorsicht geröntgt, einer Katze Blut abgezapft, und ein Affe streckt seine Pfote durchs Käfiggitter, um eine reichhaltige Essensration entgegenzunehmen (bloß von der angebotenen Karotte will er nichts wissen). Gerade zu diesem Tier, einer 35jährigen Schimpansin namens Rosie, entwickeln wir auch als Zuschauer ein besonderes Nahverhältnis und es erfüllt daher nicht nur die Pfleger vor Ort mit Unbehagen, als es Rosie plötzlich nicht mehr gutzugehen scheint: sie ist unruhig, hat Ödeme an den Beinen und möglicherweise ein geschwächtes Herz, weshalb eine eingehende Untersuchung nötig wird.
Schwierige Artgenossen
Zwischendurch geben Menschen Tiere ab, die sie gefunden haben, aber auch einige Tierbesitzer trennen sich von ihren bisherigen Hausgenossen, mit denen sie nicht mehr klar kommen - und da bewahrheitet sich der Satz „Zumeist ist nicht das Tier Schuld, wenn es nicht klappt, sondern der Halter selbst“ nur allzu oft. Die Angestellten brauchen mitunter eine richtige Engels- oder sagen wir passender: Eselsgeduld mit den eigenen Artgenossen.
Für alle Tierfreunde und solche, die es noch werden wollen, ein unverzichtbarer Film.
8 von 10 essbaren Punkten in Tierpfoten