THERAPIESITZUNG MIT TRUTHAHN

Stefan Ruzowitzky ist im Herzen Hollywoods angekommen. Mit seinem „Oscar“-Ticket, das er für seinen KZ-Film „Die Fälscher“ erhalten hatte, ließ er vorerst das europäische Autorenkino hinter sich. Und für seine erste US-Arbeit „Cold Blood“, eine verwegene Mischung aus Noir-Krimi, schneeverwehtem Western und Psycho-Thriller gebührt ihm jedenfalls das amerikanische Gütesiegel.

Der Wiener Regisseur hat sich als Könner des soliden US-Genre-Handwerks bewiesen, als einer, der flott und effektvoll erzählen kann und will. Wenn auch durchwegs vordergründig und geheimnislos.

Das mag allerdings auch an dem überfrachteten Drehbuch liegen, das ein ambitionierter Newcomer namens Zach Dean verfasste. Mehrere Handlungsstränge schlagen mit großer Berechenbarkeit ihre Schneisen durch die Schneeblizzards von Michigan. Und alle enden am Tisch einer Familie, die unter dem Vorsitz von Kris Kristofferson gerade Thanksgiving feiern möchte.

Da wäre also das kriminelle Geschwisterpärchen, das sich nach einem schweren Autounfall trennt, um besser vor der Polizei flüchten zu können. Ruzowitzky eröffnet diese atemlose Szene wie ein schlankes B-Movie mit nur wenigen, knackigen Einstellungen. Besonders Eric Bana als leicht psychopathischer Pfadfinder garantiert dabei einen gewissen Unterhaltungswert. Unterwegs springt er einen Einsiedler an, verliert dabei versehentlich einen Finger und tut danach so, als wäre er in einer schwarzhumorigen Komödie der Coen-Brüder. Speziell sein makaberer Auftritt in einer armseligen Blockhütte, wo er kurzerhand einen tyrannischen Säufer kaltmacht, um dessen Frau und Kinder zu schützen, ist von sinistrer Komik. Da beweist Ruzowitzky sein Gespür für Schauplatz, Atmosphäre und fetzige Unterhaltung.

Zäh und schematisch hingegen quält sich die Story rund um Olivia Wilde als kleine Gangster-Schwester und Reserve-Femme-Fatale dahin. Ihre Standard-Anmache an einen jungen Mann, der sie aufgelesen hat, inklusive Sex und Psycho-Gequatsche erweist sich als weitgehend spannungslos. Überhaupt die Psychologie: Alle Figuren – und es sind deren noch mehrere – leiden an ihren traumatischen Vater-Beziehungen. So endet zuletzt alles im großen Drama – bei einer Therapiesitzung mit Truthahn . Dabei hätte ein schnelles, räudiges B-Movie völlig gereicht.

KURIER-Wertung: *** von *****