Film

The Chelsea Girls

USA , 1966

"Narcissus in Hell", ein amerikanischer Mikrokosmos in ausgewaschenen Farben und Split-Screen. Für viele Andy Warhols bester Film.

Min. 200
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"The Chelsea Girls" wurde auf 16mm gedreht, im Sommer 1966 in New York. Die Spiellänge des Films beträgt rund dreieinhalb Stunden. Zwei Filmrollen werden simultan auf einen Double Screen projiziert. Der komplette Film besteht also aus zwölf Akten zu je 35 Minuten, eine größere Anzahl von Filmrollen hatte sich als unbefriedigend erwiesen. Drei der zwölf Segmente sind in Farbe. Ein jedes hat eine Tonspur (gefilmt wurde alles mit Synchronton), das Publikum bekommt jedoch üblicherweise nur den Ton einer Seite der Leinwand zu hören. Wenn eine Filmrolle abgespielt ist, bleibt die betroffene Hälfte der Leinwand so lange dunkel, bis der Vorführer die Rollen gewechselt hat. Diese unprofessionelle Vorführmethode gehört zu Warhols Hollywood-konträrem Umgang mit dem Medium Film. Wie alle wirklich guten Underground Werke erzeugte sich The Chelsea Girls seinen Erfolg durch Mundpropaganda in der New Yorker Film- und Kunstwelt selbst. Als bei seiner zweiten Verlängerung in der Film-Makers Cinematheque aus Platzgründen noch immer Leute weggeschickt werden mussten, wurde The Chelsea Girls in ein Programmkino an der 57th Street verlegt. Ein großer Durchbruch für Warhol und den Independent Film in diesem Land. Was ist der Grund für die überwältigende Zugkraft des Films, vor allem in Anbetracht seiner außerordentlichen Länge und Warhols eher lässiger Arbeitsweise? The Chelsea Girls war in den Medien und wurde als Antwort des Kinos auf Naked Lunch, als moderner Blick in die Hölle («N.Y. Times», wer sonst?) oder unverblümtes Exposé über Drogensüchtige, Lesben, Schwule und diverse Perverse rezensiert. Warhols Film ist nichts davon. Ein Vergleich mit der Sprengkraft von Buñuels monumentalem LAge dor oder der offenkundigeren Gewalt amerikanischer Gangsterstreifen von Hawks Scarface bis zu Sam Fullers The Naked Kiss wäre weitaus angebrachter, um Warhols Ästhetik verständlich zu machen. Diese Filme ähneln sich darin, dass in ihnen Gewalt als Folge von Frustration zum Ausdruck kommt. Bei The Chelsea Girls ist es allerdings weder eine offene noch eine metaphorische Gewalttätigkeit, sondern vielmehr die Gewalt, die in der menschlichen Psyche bereits angelegt ist. Toby Mussman, «Artforum», Jänner 1967 Übersetzung von Petra Metelko

(Text: Viennale 2005)

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