Morde ohne Leichen ist ein Tatort einer Übergangszeit und deshalb singulär. Aus dem Jahre 1997, markiert er den Übergang der alten Generation der österreichischen Tatort-Kommissare Marek und Fichtl zu jüngeren Kollegen, hier vor allem Kommissar Kant, der selbst aber nur kurze Zeit bleiben und bald schon durch Eisner, der seit 1999 nach Mördern jagt, ersetzt wird. Es scheint, als wäre sich die dramaturgische Leitung des ORF der besonderen Situation bewusst, denn sie ließ einen narrativ und stilistisch außergewöhnlichen Kriminalfilm herstellen, der den Spagat zwischen Vergangenheit und Zukunft zur Leitfigur der Erzählung macht. Morde ohne Leichen oszilliert zwischen extremer modern-stilistischer Reduktion und postmoderner Überladenheit, zwischen dem pathologisch-eisigem Schweigen des Mörders und den erhitzten Wutausbrüchen der Ermittler, zwischen kühler Perfektion und visuellem Zitatenspiel, zwischen den Welten eines René Magritte und denen der Samsung-Werbung. Dieser Tatort hält im Ablauf der üblichen Mordgeschichten kurz inne und lässt das Repertoire des Kriminalfilms Revue passieren, sodass die Figuren mit ihren eigenen Stilisierungen, Bildern und Kopien zusammenfallen. Der kalte Mörder bildet nicht zufällig Gemälde von René Magritte aufs Strengste nach. Er macht nicht nur Kopien, sondern ist selbst die Reproduktion des in den Krimis des 20. Jahrhunderts viele Mal ausgestalteten Bösen. Deshalb geht es auch um das ewige Duell zwischen Polizei und Verbrechen. Letzteres ist perfekt geplant und ausgeführt - also modern - und begeht doch immer einen winzigen Fehler, der alles zum Einsturz bringt. Morde ohne Leichen ist damit nicht nur Übergang, sondern auch zeitlos, eine der selten geglückten Werke des Fernsehens, die weit über das Medium hinaus strahlen. (Oliver Fahle)
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Details
- Schauspieler
- Michou Friesz, Wolfgang Hübsch, Michael Janisch, Elisabeth Lanz
- Regie
- Wolfgang Murnberger
- Kamera
- Wolfgang Koch
- Author
- Wolfgang Murnberger