„Styx“: Moralisches Dilemma auf Hoher See
Um sich von ihrem stressigen Alltag als Notärztin zu befreien, segelt Rike (Susanne Wolff) alleine zur Insel Ascension im Südatlantik. Am Anfang kann sie noch den strahlenden Sonnenschein und die Weite des Meeres genießen, doch schon bald entdeckt sie ein manövrierunfähiges Schiff am Horizont. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich der kleine Punkt in der Ferne als überladenes Flüchtlingsboot, das zu versinken droht. Die deutsche Amateurseglerin setzt sich mit der Küstenwache in Kontakt, um eine Seenotrettung einzuleiten, doch bleibt sie für viele Stunden auf sich alleine gestellt. Helfen, warten oder wegsegeln? Fragen, die sich hier nicht nur die Protagonistin stellen muss.
Komplexe Fragen
Das Drama auf hoher See ist eines der spannendste heimischen Produktionen des Jahres. Wolfgang Fischer nimmt politische Fragen, die in den letzten Jahren zu massiven Veränderungen in der europäischen Gesellschaft geführt haben, frontal in Angriff. Der Filmemacher ist sich hierbei seiner Verantwortung bewusst und verzichtet auf allzu einfache Antworten auf die komplexen Fragen, die in der Geschichte aufgeworfen werden. Die in Parlamenten quer durch Europa diskutierten Probleme werden für Rike auf einen Schlag zur lebensentscheidenden Herausforderung, bei der ihr weder Politiker noch Experten weiterhelfen können.
Die Wut des Geretteten
In „ Styx“ werden die Menschen nicht in gut oder böse geteilt, wie im echten Leben sind sie hier stets beides. Der Gerettete hat hier genauso Ängste und Bedürfnisse wie die Rettende. Die Frage ist nicht nur, ob man Flüchtlingen in Not helfen sollte, sondern auch, wie viel Würde wir diesen Menschen zusprechen, nachdem wir sie in Sicherheit gebracht haben. Oft wird dieser Aspekt bei Filmen über die Flüchtlingsthematik ausgeklammert, obwohl er die moralisch viel komplexere und gesellschaftlich vielfach relevantere Frage ist. Populisten machen es sich leicht, indem sie von Flüchtlingen stets Unterwürfigkeit und Dankbarkeit erwarten, doch „Styx“ zeigt das wahre menschliche Ausmaß der Katastrophe am Mittelmeer.
Politisch brisant
Die österreichisch-deutsche Koproduktion eröffnete 'Die Panorama'-Reihe auf der diesjährigen Berlinale. Fischer wurde zu zahlreichen internationalen Festivals eingeladen und hätte es sich verdient einen Platz im Wettbewerb um den Goldenen Bären zu erhalten. Nichtsdestotrotz hat der österreichische Regisseur knapp 10 Jahre nach seinem Kinodebüt für Aufsehen gesorgt und lässt uns hoffentlich nicht so lange auf sein nächstes Werk warten.
8 von 10
Özgür Anil