"Love Is Blind" auf Netflix: Staffel 4 versinkt immer mehr im Chaos

"Love is blind" Staffel 4: Kandidaten

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Als im Februar 2020 die erste Staffel von "Love is Blind" ausgestrahlt wurde, schien die etwas andere Art von zeitgenössischer Dating-Show geboren. Die Netflix-Produktion wurde gar als soziales Experiment verkauft. Die Frage lautete, kann Liebe "blind" sein? Also, kann man sich ineinander verlieben, ohne sich jemals zuvor gesehen zu haben? Egal welcher Ethnizität oder sozialer Klasse man angehört – egal welche Form der eigene Körper hat oder welche Kleidung man gerne trägt. Laut diesem Format erkennt man die große Liebe an der Stimme und vor allem an dem, was das Gegenüber sagt.
Singles aus der gleichen Stadt
Das Experiment funktioniert folgendermaßen: Heterosexuelle Singles aus der gleichen Stadt, beziehungsweise aus der gleichen Gegend, werden eingeladen an einem intensiven Dating-Marathon teilzunehmen. Geführt wird das Experiment vom Ehepaar Nick und Vanessa Lachey, die (obviously) eine vorbildliche Beziehung führen. Dabei leben die Kandidat:innen in einer "Frauenwohnung" und einer "Männerwohnung" und haben täglich mehrere Dates miteinander.
Im Akkord treffen sich die Liebeswütigen in sogenannten "Booths", also Boxen, in denen nur ein Sofa und ein Tischchen steht. Sie sehen ihr Gegenüber nicht, aber führen ziemlich schnell ziemlich tiefgründige Gespräche. So lernen die Teilnehmer:innen einander kennen und vielleicht auch lieben. Wer nach diesen Tagen des blinden Datings ernsthaft verliebt ist, der darf einen Heiratsantrag stellen (komischerweise tun dies immer nur die Männer) – zu diesem Zeitpunkt haben sich die Paare noch immer nicht gesehen. Wer schlussendlich verlobt ist, kommt in der Show weiter und darf endlich seine:n Versprochene:n kennenlernen.

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Timeline einer Beziehung
Die Produzent:innen wollen im Ultra-Schnelldurchlauf die natürliche Evolution einer Beziehung mimen: Nach dem Kennenlernen folgt ein gemeinsamer Liebesurlaub, die Pärchen ziehen in eine eigens gemietete Wohnung und der alles entscheidende Moment, nämlich die Hochzeit, folgt am Ende. Hier können die Paare final zusammenbleiben oder entscheiden, sich doch zu trennen. Spätestens im Honeymoon tauchen die ersten Probleme auf, schließlich werden die Paare quasi gezwungen, im selben Bett zu schlafen. Wer optisch oder emotional doch nicht wie erwartet harmoniert, der spürt dies spätestens beim gemeinsamen Urlaub. Gleichzeitig werden die anderen Paare ebenfalls ins gleiche Resort geschickt – es gibt also ein großes Wiedersehen aller, die sich zuvor gedatet haben. Hier kommt der nötige Pep ins Spiel, da mögliche Zweifel vielleicht von anderen Teilnehmer:innen intensiviert werden.
Was ich an der Show besonders mochte
Was die Show zum Erfolg machte, war das etwas andere Konzept: Der Fokus liegt nicht wie bei anderen Formaten auf Sex und Ästhetik, sondern auf das Finden der "wahren Liebe" steht im Mittelpunkt. Außerdem war hier anders, dass Personen wie du und ich, also "Normalos", die man meistens eher weniger im Reality-TV sieht, hier im Vordergrund stehen. Menschen mit "echten" Jobs, Familien, Haustieren und Alltagsproblemen versuchen bei "Love is Blind" alles irgendwie auf die Reihe zu bekommen.
In anderen Formaten gewinnt oft die Person, die den gestähltesten Bizeps, die wallendsten Haare oder die manipulativste Strategie hat. "Love is Blind" war zumindest in den ersten Staffeln erfrischend alltagstauglich. Die Teilnehmer:innen wirkten, als ob sie ihre Liebe und Beziehungen ernst nehmen würden und die Teilnahme an der Show weniger aus Karrieregründen verfolgen. Ob dies tatsächlich der Wahrheit entsprach, lässt sich natürlich nur schwer sagen. Aber es fühlte sich gut an, zumindest in dem Glauben gelassen zu werden, dass jede Person hier ehrenwerte Absichten hegte.

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... und warum es für mich an Reiz verliert
Der Appeal der Serie baut sich hauptsächlich auf der vermeintlichen Aufrichtigkeit der Teilnehmer:innen auf – also Personen, die es kaum erwarten können, zu heiraten und Babys zu bekommen. Je höher die Nummer der Staffel, desto weniger ernst scheinen die Pärchen die wahre Liebe aber zu nehmen. In Staffel 4 nähert sich Kandidatin Irina sogar dem Teilnehmer Paul an, der ihrer eigentlich besten Freundin Micah versprochen ist. Eine persönliche Verbindung hatten die beiden nie, aber heiß genug war er dann doch. Ergo: Es erinnert an jedes andere beliebige Dating-Format wie zum Beispiel "Too Hot To Handle".
Außerdem wirkt es mittlerweile so, als werden die Staffeln bereits parallel produziert. Im Halbjahrestakt wird neuer Content von Netflix veröffentlicht – und man wundert sich, ob die Cashcow hier vielleicht zu radikal gemolken wird.
Personen sollen es ernst meinen
Dass es Spaß macht, wenn eine Person Drama in die Runde bringt, ist nicht zu leugnen, jedoch rächt sich schlechtes Casting vor allem bei diesem Format, das auf "genuine Connections" aufbaut. Große Emotionen und Liebende, die es "ernst" meinen, sind schließlich das Herz der Show. Von Staffel zu Staffel scheint es mehr Personen zu geben, die das Prinzip der Show weniger ernst nehmen. Darunter leidet dann auch das Format sehr stark. Funktionierten die ersten Staffeln noch nach sehr klaren Richtlinien, scheint der Prozess zunehmend chaotischer. In der neuen Staffel gibt es zum Beispiel auch das erste Paar, das sich im Honeymoon getrennt hat und eine bereits "aussortierte" Person zurückgeholt wurde – praktisch, dass alle Teilnehmer:innen in der gleichen Stadt wohnen.
Während es die ersten Scheidungen der vergangenen "Love is Blind"-Pärchen hagelt, wagt man zu bezweifeln, dass es überhaupt mehr als ein Paar aus der aktuellen Staffel 4 unter die Haube schafft. Liebe ist manchmal blind, also solange man dieses Format eben noch anschaut.

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