"Soko Linz": Daniel Gawlowski über Online-Hate und das Leben im Kloster
Leute, gebt "Soko Linz" eine Chance! Klar, "Soko Kitzbühel" war eine heimische Serien-Institution und nach 20 (!) Staffeln fällt der Abschied schwer. Aber gleichzeitig muss nach 20 Staffeln – hello, "Grey's Anatomy"! – auch mal Schluss sein, schon allein, weil im Tiroler Ski-Mekka mittlerweile eh schon alle gestorben sind. Also ist es Zeit für Neues.
"Soko Linz" macht nicht alles richtig. Noch. Der finale Groove muss sich erst einspielen, bei den Fällen ist noch Luft nach oben, auch bei der Charakterentwicklung der Figuren. Aber das kann noch werden, denn die Serie beweist Mut für Neues und betritt Pfade abseits des (SOKO-)Bekannten:
Linz wird nicht ausschließlich in seiner Postkarten-Ästhetik gezeigt (der industrielle Großstadtcharme ist erdig, zeitgemäß und hebt sich angenehm von der Edelweiß-Optik des "Kitzbühel"-Vorgängers ab), auch die Figurenkonstellation birgt Potenzial für Spannendes, Emotionales und Ausgefallenes, die Nebenfiguren sind zeitgemäß skurril. Ab Folge Fünf (wie film.at exklusiv erfahren hat) wird aufgrund eines Regie-Wechsels zudem der (von vielen ZuschauerInnen kritisierte fehlende) Humor deutlich mehr im Vordergrund stehen.
Also: Noch ein bisserl mehr den Blick über den Tellerrand geworfen und wir könnten es hier mit einem neuen Serien-Highlight mit langlebiger Zukunft zu tun haben.
Ein Lichtblick der Serie ist schon jetzt Co-Hauptdarsteller Daniel Gawlowski alias Kriminalhauptkommissar Ben Halberg. Der 34-Jährige (geboren in Polen, aufgewachsen in Deutschland) war bisher vor allem in Deutschland tätig, "Soko Linz" ist seine erste österreichisch-deutsche Produktion.
Mit einer Mischung aus cooler Gelassenheit und sympathischer Hibbeligkeit bringt er Schwung in die Serie und tut sein Bestes, um nicht einen weiteren farblosen TV-Kommissar abzuliefern. Bemerkenswert: Gawlowski lässt sich von Schauspiel-Urgestein Katharina Stemberger (aka Chefinspektorin Johanna "Joe" Haizinger) nicht an die Wand spielen. Seine Spiellaune überträgt sich über den Bildschirm hinaus, was über manche Drehbuchschwächen leichter hinwegsehen lässt.
Wir baten Daniel Gawlowski zum gut gelaunten Interview.
Bringen wir das Unangenehme hinter uns. Die ersten Folgen von "Soko Linz" wurden nicht allzu gut vom Publikum aufgenommen. Unter anderem wurde kritisiert, dass Linz nicht von seiner schönen Seite gezeigt wird ...
Über die Kritik bezüglich der Ästhetik der Serie und die Darstellung von Linz war ich durchaus überrascht. Ich finde, unser Kameramann Thomas Kürzel hat tolle Aufnahmen abgeliefert, die Bildersprache ist sehr gewaltig. Natürlich haben wir einen Industrie-Look, aber damit wollen wir uns von "Soko Kitzbühel" und "Soko Donau" auch abgrenzen. Für mich ist dieser Look eine sehr charmante Entscheidung.
Zudem wird in den insgesamt 13 Folgen, die die erste Staffel umfasst, der vielseitige Look von Linz noch gezeigt werden. Aber ich verstehe es: Jemand, der etwas anderes erwartet hat, ist nun natürlich maßlos enttäuscht. Ich persönlich mag den Stadt-Land-Kontrast, den Linz ausstrahlt, sehr gerne. Sehr poetisch. Ich finde, eine Stadt muss nicht immer "Instagram-schön" gezeigt werden.
Welche Orte und Stellen von Linz werden wir noch zu sehen bekommen?
Zum Beispiel haben wir an der Donau und am Hafen gedreht. Natürlich auch in der Innenstadt und in der Altstadt. Weitere Szenen spielen an Autobahnkreuzungen und am Pöstlingberg – worüber sich ein Zuschauer auf Twitter sehr gefreut hat! (lacht) Wir versuchen abzubilden, was Linz alles ist und was Linz alles kann. In der zweiten Staffel [vom ORF und ZDF bereits bestellt; Anm.] weitet sich dieses Bild natürlich noch weiter aus.
Du scheinst sehr genau zu verfolgen, wie die Serie aufgenommen wird ...
Ich liebe Feedback und Kritik. Manchmal höre ich sogar zu viel auf Kritik, wie mir schon gesagt wurde! (lacht) Feedback ist letztendlich nichts anderes als der Spiegel dessen, wie meine Arbeit beim Publikum wahrgenommen wird. Klar, manche Kommentare kann ich einfach nicht nachvollziehen.
Wenn aber oftmals kritisiert wird, dass beispielsweise die Figuren sehr blass wären, dann denke ich sehr wohl darüber nach und überlege, wie ich diesen Aspekt verbessern könnte. Ich versuche, in den analytischen Prozess hineinzugehen und mich in den/die ZuschauerIn hineinzuversetzen. In jeder Kritik steckt zumindest ein Fünkchen Wahrheit drin. Und diese Wahrheit möchte ich mitnehmen, weil ich mich als Schauspieler ständig weiterentwickeln möchte.
Tut es nicht weh, negative Kommentare zu lesen?
Natürlich! Am ersten Tag nach der Pilotfolge von "Linz" hat’s mir erstmal die Sprache verschlagen, als ich all das negative Feedback gelesen habe. Aber ab Tag Zwei habe ich angefangen, die Kommentare zu kategorisieren und zu verstehen versucht, was gemeint ist und woher all der Frust eigentlich herkommt.
Aber: Kritik so umzuwandeln, dass ich sie konstruktiv nutzen kann, war ein Lernprozess. Ich bin ja schon einige Zeit im Business. Wenn es gar nicht mehr geht und mich die Kritik beim Schauspielen zu sehr hemmt, ruf ich meinen Schauspielcoach an und bespreche mit ihm, wie wir das Problem lösen können. Ins Gespräch zu gehen ist wahnsinnig wichtig, um Kritik richtig verstehen zu können.
Was hat dich an der Rolle des Ben überzeugt?
Ben ist kein typischer knallharter Kommissar, sondern locker und lässig. Zudem fand ich die Hintergrundgeschichte von Ben sehr interessant: Als alleinerziehender Vater zieht er von Frankfurt nach Linz und muss Berufsleben und Erziehung unter einen Hut bringen. Handwerklich ist das für einen Schauspieler sehr spannend.
Ich habe versucht, die emotionale Bandbreite zwischen dem Versuch, sich aufgrund der Quirligkeit ständig beruhigen zu müssen, und dem Gefühl, dass der Arsch die ganze Zeit brennt, weil er sich neben dem Job um seine Tochter kümmern muss, rüberzubringen. Ich hoffe, in den kommenden Folgen wird das noch deutlicher zu sehen sein.
Was konntest du persönlich in die Rolle des Ben einbringen?
Zum Beispiel sein sportliches Hobby, das aber erst in der zweiten Staffel enthüllt wird! Von mir stammt auch die Geschichte rund um die Mutter von Emilia [Bens Tochter; Anm.] – und die Quirligkeit und Energie, die ich als Daniel Gawlowski sowieso hab und auf den Ben übertragen hab! (lacht) Was die Dynamik zwischen den Figuren betrifft: Die entwickelt sich natürlich auch erst im Zusammenspiel mit den Schauspiel-KollegInnen.
Hattest du eine Inspiration für Ben?
Ich habe versucht, das Profiling-Thema von der tollen Netflix-Serie "Mindhunter" einzubringen. Sich nicht einfach nur die Leiche und den Tatort anzusehen, sondern auch zu hinterfragen, was psychologisch hinter dem Verbrechen steckt.
Arbeitet ihr am Set eigentlich mit echten KriminalpolizistInnen als BeraterInnen zusammen?
Wir haben das Glück, dass sich nähe Linz ein Einsatztrainingszentrum für die Polizei befindet. Wenn es um Dinge wie das richtige Halten einer Waffe, das Stürmen einer Wohnung oder die richtigen Griffe bei einer Verhaftung geht, kommen PolizistInnen von dort bei uns vorbei und stehen uns mit Rat und Tat zur Seite. Es soll ja alles so authentisch wie möglich aussehen!
Ein humoristischer roter Faden in "Linz" ist der Unterschied zwischen Österreich und Deutschland. Empfindest du das auch so?
Ja, teilweise gibt es durchaus gravierende Unterschiede. Ich habe zum Beispiel unseren ersten Regisseur, der Österreicher ist, nicht verstanden. Nicht aufgrund des Dialekts, sondern weil er viel Sarkasmus verwendete. Und Sarkasmus ist uns Deutschen fremd! (lacht) Wir haben Ironie und Zynismus, aber keinen Sarkasmus. Dann kam der deutsche Regisseur, aber diesmal hat meine Kollegin nicht gecheckt, was er von uns wollte! (lacht)
Die ÖsterreicherInnen haben eine Leichtigkeit, Lockerheit und Gemütlichkeit, die mich an Italien erinnern. Am Linzer Hauptlatz zum Beispiel wird um 14 Uhr schon Wein getrunken – das gibt’s bei uns nicht! (grinst) Gleichzeitig weiß man bei ÖstereicherInnen nie so genau, was sie von dir halten, Stichwort: "Jo, passt eh!" Die Deutschen sind da viel direkter. Gleichzeitig aber wird auf Social Media bei euch alles ungefiltert rausgelassen, was wiederum in Deutschland unüblich ist – und für mich anfangs sehr ungewohnt war.
Apropos nationale Unterschiede: Du bist bi-lingual aufgewachsen, nämlich deutsch und polnisch. Kannst du etwas über die polnische Filmlandschaft erzählen?
Das polnische Filmsystem ist ein ganz anderes als das österreichische und das deutsche. Von der Struktur, vom Aufbau und von der Vernetzung ist das polnische Filmsystem vergleichbar mit dem unseren vor 20 Jahren: noch recht chaotisch, kein roter Faden, keine gemeinsame Plattform. Ein bisserl wie der Wilde Westen also! Aber seit geraumer Zeit tut sich dort sehr viel, auch europäische Produktionen werden mit an Bord geholt. Zum Beispiel hat Netflix Polen für sich entdeckt. Und: Polen hat irrsinnig gute SchauspielerInnen, aber von dem Job zu leben ist dort sehr schwierig.
Ich würde mir mehr Ko-Produktionen zwischen Polen und Österreich/Deutschland wünschen, denn man hat ja doch eine gemeinsame Historie. Einige Dinge passieren zwar gerade, aber immer noch sehr wenig. Mit meiner Filmagentur in Warschau arbeite ich daran, dass sich das in den kommenden fünf Jahren ändern wird. Wir haben ja bereits geplant gehabt, einen deutsch-polnischen Film zu drehen, aber dann kam Corona ...
Der Netflix-Erotik-Streifen "365 Tage" kommt aus Polen ...
Ja, das kann Polen auch! (lacht) Polnische Produktionen riskieren sehr viel, sind viel mutiger als deutsche oder österreichische Filme oder Serien. Zum Beispiel wird in ihnen sehr stark gegen die Politik oder sogar Religion geschossen. Filme haben in Polen noch eine starke kulturell verändernde und politische Position.
Letzter Punkt: Nach der Matura hast du acht Monate in einem chinesischen Kloster verbracht. Erzähl doch bitte mehr darüber!
Das war ein Kindheitstraum. Mein bester Freund und ich waren große "Dragon Ball"- und Jackie-Chan-Fans. Schon als kleine Jungs haben wir gesagt: Irgendwann gehen wir in ein Shaolin-Kloster und tauchen dort in die asiatische Kampfkunst ein.
Der Tagesablauf ist dort extremst organisiert und routiniert: Um Fünf oder Sechs Uhr in der Früh stehst du auf, dann rennst du 45 Minuten mit deiner Shaolin-Mönchs-Gruppe, dann Frühstück, dann halbe Stunde Pause, dann drei Stunden Sport, dann Abendessen, dann Pause, dann wieder Sport und dann fällst du ins Bett – und das von Montag bis Samstag! Am Sonntag ist Waschtag.
Zudem habe ich auch Chinesisch gelernt und Mediation ausprobiert. Letzteres hat mir aber gar nicht getaugt, dafür hatte ich viel zu viel Energie! Als Ausgleich zum Kampfsport habe ich stattdessen Chi-Gong und Tai-Chi gemacht.
Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?
Dass es uns eigentlich sehr gut geht und wir viel zu viel stänkern. Und dass Menschen, die viel weniger haben, oftmals sehr viel glücklicher sind als wir.
"Soko Linz" ist jeden Dienstag, 20.15 Uhr, auf ORF1 zu sehen. Zudem wird die Serie auf der ORF-TVthek als Live- Stream bereitgestellt und nach der TV-Ausstrahlung sieben Tage als Video-on-Demand angeboten.