Otto Jaus: "Zufriedenheit ist eine aktive Entscheidung!"
Seit 2015 stürmt er gemeinsam mit Lebensmensch-Spezi Paul Pizzera die heimischen Charts und sorgt für ausverkaufte Konzerthallen: Otto Jaus kennt man heutzutage vor allem als Teil des öangesagten österreichischen Pop-Duos "Pizzera & Jaus".
Da mag man leicht vergessen, dass Jaus eigentlich gelernter Schauspieler ist. Nun ist der 40-jährige Vater einer Tochter endlich in seiner ersten Kinohauptrolle zu sehen: "Hals über Kopf" ist eine kurzweilig-unterhaltsame Komödie von Andreas Schmied (u.a. "Love Machine"; er schrieb auch das Drehbuch) ganz im Stil der Screwball-Comedies der 1930er- und 40er-Jahre.
Der Film ist definitiv ein guter Einstand für Jaus auf der großen Leinwand, wo sein perfektes Timing für Pointen und Gefühl sowie sein unverwechselbarer Wiener Lausbuben-Charme genauso gut zur Geltung kommt wie auf der Konzertbühne.
Dass Jaus ins Kino gekommen ist, um zu bleiben, scheint fix: Im Oktober startet die Crime-Comedy "Pulled Pork", diesmal wieder mit BFF Pizzera an seiner Seite.
Wir baten Otto Jaus zum zum sympathischen und sehr ehrlichen Interview.
Die Dreharbeiten zu „Hals über Kopf“ fanden bereits 2019 statt. Wieso hat es so lange bis zum Kinostart gedauert?
Otto Jaus: Leider Gottes hat uns Corona dazwischen gefunkt. (hustet) Na schau, da hust‘ ich gleich! Aber ich möchte nicht unseren Film mit Corona in Verbindung bringen, denn dann ist er per se negativ behaftet. Am liebsten würde ich sagen: Die Popcorn-Zustellung hat die letzten drei Jahre einfach nicht funktioniert und ohne ein g’scheites Publikum wollten wir den Film natürlich nicht ins Kino bringen.
Bist du irgendwie auch froh, dass der Film erst Jahre später anläuft? Hast du dich in der Zwischenzeit als Künstler weiterentwickelt, die Erfahrung der Dreharbeiten verarbeiten können, oder ähnliches?
Ja und nein. Du hast dir die Antwort teilweise schon selbst gegeben! (lacht) Ich als Darsteller bin mittlerweile um einiges gefestigter, wir [Paul Pizzera und Otto; Anm.] haben die vergangenen drei Jahre ja wahnsinnig viel erlebt. Das lässt einen als Künstler – obwohl ich mich gar nicht als solcher bezeichnen möchte – und Mensch natürlich wachsen und weiterentwickeln. Und weil nun doch schon einige Zeit vergangen ist, kann ich nun mit gesundem Abstand über den Film reden.
Andererseits ist natürlich auch bereits die innerliche Energie etwas heraußen. Wenn kurz nach den Dreharbeiten die Filmpremiere stattfindet, ist man eher noch mit Vollgas unterwegs. Was nicht bedeutet, dass ich müde bin, über den Film zu sprechen, denn ich bin sehr stolz drauf! Wir freuen uns alle, dass unser Baby nun endlich das Licht der Welt erblickt.
Das glaube ich gerne.
Ein weiterer Vorteil ist auch, dass wir alle mittlerweile weniger angespannt sind. Kurz nach den Dreharbeiten denkt man noch sehr viel drüber nach, was und wie man hätte besser spielen können oder sollen. Das ist nun schon in den Hintergrund getreten. Obwohl die Gedanken jetzt grad wieder kommen ... (lacht)
Bist du mit deiner Leistung im Film zufrieden? Es war ja doch deine erste Kino-Hauptrolle ...
Ich bin sehr, sehr mit dem Film zufrieden. Mir gegenüber bin ich generell sehr kritisch. Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Da lasse ich mir auch nichts dreinreden, auch nicht von meinen Vorbildern, die gleichzeitig meine Lieblings-Kritiker sind. Wenn ich weiß, ich kann etwas besser und ich habe es nicht gut gemacht, lasse ich mir von niemanden einreden, dass ich es gut gemacht habe. Oder natürlich auch umgekehrt.
Bei ‚Hals über Kopf‘ war es so, dass ich komplett neu an die Sache herangegangen bin. Ich hatte ja vorher hauptsächlich Theater gespielt und Film ist nochmal eine komplett andere Welt. Ich habe dann halt einfach gemacht, was das Beste ist, was man tun kann.
Der Jürgen Maurer [spielt im Film den Ganoven „Onkel Siggi“; Anm.] meinte während der Dreharbeiten mal zu mir: ‚Ned schlecht! Jetzt wird [Regisseur Andreas Schmied] zwei Filme brauchen, bist du wieder so gut wirst wie beim ersten!‘ Mittlerweile haben Andreas und ich bereits unseren zweiten gemeinsamen Film gedreht [„Pulled Pork“; Anm.] und ich weiß genau, was er gemeint hat. Denn bei ‚Pulled Pork‘ war ich viel zu verkopft, habe über jede einzelne Szene viel zu viel nachgedacht. Bei ‚Hals über Kopf‘ war ich intuitiver. Deshalb kann ich sagen: Ja, ich bin mit meiner Leistung in ‚Hals über Kopf‘ sehr zufrieden. Natürlich weiß ich aber auch, was ich hätte besser machen können.
War der Erfolgsdruck als männlicher Hauptdarsteller besonders groß?
Gott sei Dank hatte ich wunderbare und extrem talentierte Kolleg:innen an meiner Seite, wie beispielsweise Miriam Fussenegger, Jürgen Maurer, Ulrike Beimpoldt, Ali Salman, Patrick Seletzky und der großartige August Zirner. Ich habe ihnen oft zugeschaut und sehr viel dabei gelernt.
Ich war der Lehrling am Set, hab zum Beispiel die Miriam oft gefragt, wie ich eine Szene besser spielen könnte. Auch Ali [spielt Richies Cousin Erkan Güner; Anm.] hat mir viele Tipps gegeben. Die Dreharbeiten dauerten ja sechs Wochen: In den ersten zwei Wochen war ich nervös, in der Mitte hat man sich gefunden – und dann ist’s eh schon wieder vorbei!
Im Film hast du einige Slapstick-Szenen, wirst beispielsweise von der Kofferraumtür eines Bantleys ausgenockt. Liegt dir diese Art von Humor?
Ich liebe solche Szenen! Aber man muss in der richtigen Stimmung sein, um das hinzubekommen, was ein bisserl dauern kann. Slapstick ist einfach eine ganz eigene Art von Comedy.
Was für mich hingegen viel herausfordernder war und wo ich gemerkt habe, man darf beim Spielen nicht zu viel nachdenken, ist zum Beispiel die Szene, in der ich nach der richtigen Waffe suche, bevor ich den Kofferraum öffne. Klingt blöd, aber man muss die Dinge ja dann wieder an genau den richtigen Platz zurücklegen. Oder die Szene, in der ich alle Fingerabdrücke im Auto abwische. Wenn man währenddessen nachdenkt, welches Gesicht man dabei macht, dann hat man schon verloren!
Du scheinst mir ein sehr kopflastiger Mensch zu sein.
Das bin ich in vielen Dingen tatsächlich. Ich denke so viel den ganzen Tag über, des is a Wahnsinn! Ich zer-denke alles und reflektiere sehr, sehr viel. Deshalb brauche ich diesen Beruf auch regelrecht, weil ich auf der Bühne oder vor der Kamera abschalten kann. In diesem Momenten bin ich einfach. Zack. Aus.
Dein Beruf als Therapie also?
Ganz sicher sogar.
Wie ähnlich ist dir deine Filmfigur Richie?
(lacht) Klar, ein Teil von Richie ist auf jeden Fall in mir drin. Ich bin nicht kriminell aufgewachsen oder habe solch eine Ader, aber ich kann mich in seine Lage trotzdem gut einfühlen. Und manche Charakterzüge von Richie sind auch an mir zu finden.
Mir ist aufgefallen, dass du sehr oft den „charmanten Proleten mit Herz“ spielst, auch bei Pizzera & Jaus nimmst du diese Rolle ein. Wieso? Wie hat sich das entwickelt?
Wie gesagt: Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Deshalb spiele ich diese Rolle sehr gerne. Und ich hab einfach Spaß daran. Es ist ja auch nicht so einfach, ‚Leck mi am Oasch!‘ zu sagen und die Leute damit zum Lachen zu bringen. Oft empfindet man einen Proleten als Ungustl und es kommt nicht allzu oft vor, dass man einen Strizzi leiden kann. Deshalb bin ich darauf schon auch ein bisserl stolz.
Mich hat es nie gestört, dass ich sehr oft diese Art von Rolle spiele. Ist voll in Ordnung für mich. Und in Musicals bin ich ja auch schon in viele andere Rollen geschlüpft. Aber keine Frage, als den sympathischen Proleten kennt man mich am meisten.
Themenwechsel: Empfindest du „Hals über Kopf“ auch als Kritik gegen die oberen Zehntausend, gegen die Mächtigen in diesem Land?
Vordergründig möchte der Film unteralten, Menschen aus ihrem tristen Alltag herausreißen und ihnen Freude bereiten. Wenn jemand die Message in der Story erkennt, dass Korruption allgegenwärtig ist, dann soll er/sie das tun. Am Ende des Films bekommt ohnehin jede:r einen auf den Deckel und das ist auch das Schöne an der Geschichte. ‚Hals über Kopf‘ ist und bleibt eine Komödie.
Wer sind die „Bösen“ im Film: die Ganoven wie Richie oder „Onkel Siggi“ oder die skrupellosen Banker wie Eduard Lannau?
Für mich ist ‚böse‘ derjenige, der auch Böses tut. Anderen Leuten etwas Schlechtes will. Egal, ob dieser Mensch ein Gangster oder ein Banker ist oder sonst etwas. Was mir aber sehr wichtig ist: Wir alle sollten mehr Toleranz zeigen und nicht so schnell urteilen. Ja, Menschen machen böse Dinge. Aber man sollte zuerst mal fragen, wieso er oder sie das überhaupt tut. Und hinter die Geschichte des Menschen blicken, denn das fördert das gegenseitige Verständnis. Das bedeutet noch lange nicht, dass ich diese Tat gut finde. Ich glaube, es würde weniger Böses in der Welt geben, wenn wir etwas mehr darüber nachdenken würden, wieso und weshalb jemand etwas tut.
Hand aufs Herz: Macht Geld glücklich?
Jeder, der schon mal viel Geld gehabt hat, weiß, dass dem nicht so ist. Man muss aber zwischen Glück und Zufriedenheit unterscheiden. Klar, es ist schön, wenn man Geld hat, es löst das eine oder andere Problem. Du kannst mit Geld durchaus glücklich werden, aber dieses Glück hält nur kurzfristig – und dann ist alles wieder wie vorher. Zufriedenheit ist das Grundlegende und diese kann nie materielle Beschaffenheit haben. Zufriedenheit bedeutet Familie, Freunde, Kinder. Zufriedenheit muss von deinem Inneren kommen. Zufriedenheit ist eine aktive Entscheidung, die du für dich triffst.
Jetzt waren wir so tiefgründig, da müssen wir nun wieder oberflächlich werden ...
(lacht laut) Kloar, her damit! I muaß jo den Proletn wieder außehängn lossn!
Ich liebe die Szene, in der Richie Ella unabsichtlich entführt und im Auto lautstark beim Schmachtfetzen „How do I live“ von Trisha Yearwood mitträllert. Hast du auch solch einen „Autofahr-Guilty Pleasure Song“, also einen Song, den du beim Autofahren immer laut aufdrehst und mitsingst, der dir aber eigentlich peinlich ist?
Viele! Aber peinlich ist mir davon keiner. Mir ist das sowas von egal, was jemand anderer darüber denkt. Ob das nun Britney Spears ist oder Die Schlümpfe – gib her, ich sing lauthals mit! Wenn ich aber weiß, meinem Mitfahrer/meiner Mitfahrerin gefällt der Song nicht, halte ich mich sehr wohl zurück.
Letzte Frage: Der österreichische Film hat immer wieder mit geringem Publikumsinteresse zu kämpfen. Woran liegt’s und wie könnte das Problem geändert werden?
(in bester Proleten-Manier) Die Leit‘ soin gfölligst ins Kino gehn! Na wirklich, na sicher, na oida, wos is los?! Irgendein Scheiß-Blockbuster aus Amerika wird von hunderttausend Menschen besucht, obwohl der Film echt nix kann. Und dann gibt es Filme wie ‚Der Fuchs‘ zum Beispiel, ein genialer Streifen und einer der besten Filme die ich seit langem gesehen habe – ich hab Rotz und Wasser geheult! –, und er bekommt nicht so viel Interesse, wie er es verdient hätte. Mindestens 500.000 Leute sollten ‚Der Fuchs‘ gesehen haben!
Unser Land hat so geniale Filme. Ich verstehe nicht, wieso sie nicht mehr Leute erreichen. Vielleicht, weil man automatisch glaubt, die Story ist düster und deprimierend? Aber österreicher Film ist so viel mehr. Auch den jungen Leuten muss man zeigen, wie geil österreichischer Film ist. Denn das ist er einfach.