Marvin Kren

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"Crooks"-Regisseur Marvin Kren: "Wir wollten diese Welt verstehen"

Der österreichische Regisseur im film.at-Interview über die Netflix-Serie, Stamm-Schauspieler:innen und serielles Erzählen.

von Oezguer Anil

04/05/2024, 08:28 AM

In “Crooks” kreuzen sich die Schicksale mehrere Gangster durch einen spektakulären Münz-Raub. Während Charly (Frederick Lau) so schnell wie möglich aus dem Coup aussteigen will, steht für Joseph (Christoph Krutzler) sein Leben auf dem Spiel. Die Handlung erstreckt sich über Deutschland, Österreich und Frankreich, wobei ein Abtauchen auch außerhalb der Ländergrenzen schwerer ist, als gedacht. 

Mastermind hinter der Serie ist Marvin Kren, der neben zahlreichen Tatorten vor allem mit den Serien “4 Blocks” und “Freud” für großes Aufsehen gesorgt hat. Wir haben mit dem Österreicher über seine Arbeit hinter der Kamera und seine Liebe zu Serien gesprochen. 

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In "Crooks“ zeigst du Berliner Klan-Kriminalität, das Wiener Rotlicht-Milieu und die französischen Banlieus. Woher kam die Idee, eine Serie mit so vielen unterschiedlichen Drehorten zu machen?

Als meine letzte Serie “Freud” veröffentlicht wurde, ist die Corona-Pandemie ausgebrochen und man war plötzlich in den eigenen vier Wänden eingeschlossen. Trotz zahlreicher Herausforderungen hat die Isolation auch einen unerwarteten Freiraum geschaffen, der mir die Möglichkeit gab, neue Ideen zu entwickeln. In dieser Zeit hatte ich eine starke Sehnsucht, wieder hinaus auf die Straße zu gehen und ins Gangstermilieu einzutauchen. Inspiriert wurde ich dabei von einer Vielzahl alter französischer Filme aus den 60er- und 70er-Jahren, insbesondere von Regisseuren wie Jean-Pierre Melville und Claude Sautet.

Ich wollte von zwei Ganoven mit dem Herz am rechten Fleck erzählen, aber mich nicht auf ein einziges Milieu wie in “4 Blocks” konzentrieren, sondern eine opulente Geschichte mit unterschiedlichsten Drehorten kreieren. Es war eine lange Reise, die nicht nur den Wunsch nach Abenteuer und Ausbruch aus der Enge der Pandemie widerspiegeln sollte, sondern auch meine Sehnsucht, meinen filmischen Vorbildern nach Frankreich zu folgen.

Die Geschichte ist von Action und Spannung getrieben, aber trotzdem kommen einem die Figuren sehr nahe. Wie bist du an die Arbeit mit den Charakteren herangegangen?

Die Charaktere sind unglaublich wichtig. Ich habe das Glück, mit zwei hervorragenden Autoren (den Co-Creators Benjamin Hessler und Georg Lippert) zusammenzuarbeiten, die ein tiefes Verständnis für Spannungsbögen und Dramaturgie mitbringen. 

Das Geheimnis liegt aber nicht nur in der sorgfältigen Entwicklung der Charaktere selbst, sondern auch in der Auswahl der richtigen Besetzung. Es ist entscheidend, dass die Schauspieler:innen etwas Einzigartiges mitbringen, eine Art von Tragik oder Tiefe, die nicht aufgesetzt ist. Die gemeinsame Arbeit besteht darin, diese Besonderheiten dann authentisch in die Rollen einfließen zu lassen. Es ist ein kollektives Bemühen, bei dem wir gemeinsam die Nuancen der Figuren erkunden.

Ist das auch der Grund, weshalb du gerne mit den gleichen Schauspieler:innen zusammenarbeitest?

Auch, aber es sind diesmal auch einige neue Darsteller:innen dabei. Karl Welunschek zum Beispiel, der die Rolle des Roten übernommen hat. Es war eine enorme Herausforderung, einen Schauspieler zu finden, der die komplexe Figur eines erfahrenen Unterweltlers darstellen kann. Wir waren auf der Suche nach jemandem, der die spezifische Sprache der Unterwelt authentisch transportieren, gleichzeitig aber auch die tieferliegende Tragik der Figur erfassen kann.

Beim Finden der Besetzung besteht die Herausforderung darin, die "verbotene Welt", die diese Charaktere repräsentieren, nicht nur oberflächlich darzustellen, sondern als einen Teil ihrer Identität zu begreifen.

Obwohl die Serie in einem überhöhten Genre verortet ist, fühlt sich die Geschichte dennoch sehr geerdet und glaubwürdig an. Wie schaffst du es, die Balance zwischen Genre und Realismus zu halten?

Mir ist früh klar geworden, dass die Basis echt sein muss. Das wurde mir besonders deutlich, als ich Michael Fuith für meinen ersten Spielfilm "Rammbock" besetzt habe. Er war diese Basis, diese Authentizität, die ich für den Film brauchte. Mit ihm hätte man in jeden Film reinspazieren können. Und wenn man so eine Eintrittskarte hat, wenn man Frederick Lau und Christoph Krutzler glaubt, dann darf es in der Geschichte auch mal alberne Momente oder Schlägereien wie bei Bud Spencer geben.

Ich finde, das ist auch bei einer Serie wichtig. Man sollte nicht nur einen Ton anschlagen, sondern dem Publikum Überraschungen und auch mal ein Lachen zutrauen. Sonst wird es langweilig.

Du tauchst während der Serie immer wieder auch in Sub-Genres ein. Was hat dich daran interessiert, so viele unterschiedliche Welten zu beleuchten?

Das hat sich eigentlich ganz natürlich aus der Geschichte ergeben. Es ging darum, verschiedene Fokuspunkte zu setzen, ohne den Anspruch zu haben, in jeder Folge alle Aspekte gleichmäßig abzudecken, sondern sie über die ganze Serie auszubreiten. Besonders fasziniert hat mich die Idee eines professionellen Diebes. Deshalb haben wir genau recherchiert und Menschen getroffen, die sowas tatsächlich gemacht haben und wollten deren Welt verstehen.

In “Crooks” gibt es oft sehr spezifische Bilder, die man so noch nie gesehen hat. Zum Beispiel in einem Moment, als eine zurückhaltende Ärztin zur Waffe greift und für einen kurzen Moment Teil einer Schießerei wird. Wie wichtig sind dir solche Details?

Die Macht liegt im Detail: Im Drehbuch, vor der Kamera, bei der Auswahl der Schauspieler:innen. Es ist oft eine Mischung aus Vorbereitung und dem Mut, die eigenen Unsicherheiten zu akzeptieren. Der Darsteller Burak Yiğit brachte beispielsweise persönliche Erfahrungen mit ein und kannte Codes und Sprüche, die in dem Milieu üblich sind. 

Zum Beispiel die Szene mit dem speziellen Drink – Bananensaft mit Nüssen, der von Spielern getrunken wird, um länger durchzuhalten – kam aus dem wirklichen Leben. Solche Details eröffnen oft eine neue Perspektive und helfen, die Geschichte auf eine frische und spezifische Art zu erzählen.

Die Serie ist auch visuell besonders spektakulär umgesetzt. Kannst du uns etwas über die Gedanken hinter den Bildern erzählen?

Wir haben uns entschieden, mit anamorphen Objektiven zu drehen, was bei Serienproduktionen äußerst anspruchsvoll war. Die Herausforderungen in Bezug auf Tiefenschärfe und Schärfeanpassungen im Verhältnis zur begrenzten Drehzeit waren wirklich nicht einfach. Ich habe das Glück gehabt, mit Xiaosu Han und Andreas Thalhammer ein eingespieltes Team an der Seite zu haben.

Vor dem Dreh haben wir uns intensiv damit auseinandergesetzt, was und wie wir erzählen möchten. Wir haben visuelle Referenzen erstellt und in wichtigen Szenen auch mit Storyboards gearbeitet.

Unser Ziel war es, eine disziplinierte, aber dennoch dynamische Kameraführung zu haben. Wir wollten beispielsweise den Raum immer mit einer Figur betreten, anstatt passiv mit der Kamera auf sie zu warten. Stellenweise haben wir mit drei Kameras gedreht und hatten am Ende viel Material, weil es mir auch wichtig war Momente kurz vor und nach der Szene mitzudrehen, um eine authentische Situation zu kreieren.

Du hast dich in den letzten Jahren stark auf das serielle Erzählen fokussiert. Was ist für dich der Unterschied zwischen Kino und Serie?

Ich habe den größten Respekt vor jedem/jeder Kinofilmregisseur:in, der/die sich auf eine einzige Idee konzentriert und sich darin entfaltet.

Ich bin dafür zu gierig. Ich liebe die Opulenz und das romanhafte Erzählen in einer Serie. Es ist eine extrem anstrengende Arbeit und erfordert viel Ausdauer, weil die Produktion sehr lange dauert, aber es ist für mich die beste Möglichkeit, eine Geschichte in allen Facetten zu erzählen.

Gibt es bereits ein neues Projekt, an dem du arbeitest?

Mit dem Konzept von “Crooks” gibt es unendlich viele Möglichkeiten, sie in verschiedenen Variationen neu zu interpretieren. Ich bin loyal gegenüber meinen Ideen und freue mich, wenn sich die Möglichkeit ergibt, dieses Universum weiter auszubauen. Alles andere lasse ich einfach auf mich zukommen.

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