SCHAUSPIELERISCHER EXZESS

Martin Scorseses „The Wolf of Wall Street“ ist seine mittlerweile fünfte Zusammenarbeit mit Leonardo DiCaprio – und ja - sie funktioniert erneut mehr als nur gut! In den vergangenen Produktionen wie „Gangs of New York“, „The Aviator“, „The Departed“ und „Shutter Island“ konnte uns DiCaprio immer wieder beweisen, dass er längst zu den Könnern seines Fachs gehört. Mit der Verfilmung des Lebens von Aktienhändler Jordan Belfort lässt er uns intensiv an seiner Wandlungsfähigkeit teilhaben.

In den frühen 1990ern ist der New Yorker Börsenmakler Jordan Belfort in seinem Job überaus erfolgreich. Mit einer eigens gegründete Scheinfirma verschleiert er seine Betrügereien, mit denen er seinen ausschweifenden Lebensstil und seine Drogensucht finanziert. Belfort scheffelt unaufhaltsam jede Menge Geld, doch dann beginnt seine Erfolgskurve sich allmählich nach unten zu neigen. Die Justiz wird aufmerksam auf den Multi-Millionär, dem noch dazu Kontakte zur New Yorker Unterwelt nachgesagt werden. Als die Gesetzeshüter Belfort langsam auf die Schliche kommen, droht sein gesamtes Kartenhaus einzubrechen und sein Privatleben mit Ehefrau und Kindern scheint zum Scheitern verurteilt…

Wir erleben den gewieften Aufstieg eines jungen Mannes in eine Welt, wo es anscheinend keine Grenzen gibt. Die Börse bietet jenen, die schlau genug sind und auch vor harter Arbeit nicht zurückscheuen, eine Plattform für Geldbeträge jenseits der Legalität. Natürlich gehört dazu auch eine Portion Skrupellosigkeit und Egoismus. Scorsese schafft es, mit seinen Bildern und der Musikauswahl das ausschweifende Leben dieser Finanzhaie dermaßen skurril darzustellen, dass man die moralische Problematik (Geldbetrug, Ausbeutung, Ehebruch) einfach vergisst. Wir befinden uns sozusagen ebenfalls im Drogenrausch und sind begierig zu erfahren, wie die nächste Ausschweifung des mit Geldscheinen um sich werfenden Belfort wohl aussehen wird. Da stört es kaum, dass er der Drogen nicht mehr Herr wird und sich von einer „Sex, Drugs and Alcohol“-Eskapade in die nächste vögelt.

Detaillierte Einblicke in den Ablauf der Aktienbranche erhalten wir keine, aber DiCaprio sagt es uns ziemlich direkt ins Gesicht: „Das interessiert uns ja eigentlich eh nicht.“ Er spielt dieses Arschloch so extrem gut, dass man direkt mit ihm mitleidet, wenn ihm plötzlich in seiner überdimensionierten Villa kein Drogenrausch mehr hilft, um seinen Lebensstil auch nur irgendwie zu verkraften. Leonardo DiCaprios Wandlung vom einfühlsamen Ehemann über den erfolgreichen Aktienhändler bis hin zum völlig rauschgiftabhängigen sabbernden Junkie – eine fantastische Darstellung, die endlich mit einem Oscar belohnt werden sollte. Buddy-mäßige Unterstützung bekommt er von Jonah Hill, der ihm in seiner Verrücktheit um nichts nachsteht. In den schweren Zeiten des Tablettenschluckens, Geldscheffelns und Frauenverbrauchs halten sie zusammen. Ebenso spaßig, wenn auch viel zu kurz im Bild, ist Matthew McConaughey als DiCaprios Mentor: seinen inbrünstigen Indianergesang, den er beim Lunch anstimmt, sollte jeder als Motivation sehen, der Größeres anstrebt.

Das Prestigeleben, der Luxus, der Rausch des Geldes und die Macht, welche die Scheinchen mit sich bringen – das alles fasst Martin Scorsese in einer opulenten Bildsprache zusammen, welche durchaus auch mit minimalistischen Mitteln arbeitet, um uns zu beeindrucken. Wenn verschütteter Whiskey in Zeitlupe mit moderner Musikuntermalung auf der Leinwand tanzt, dann durchströmt einen dieses perfekte Gefühl, welches nur wenige Regisseure vermitteln können! 10 volle Champagner-Flaschen!