Von den Kubanern zu den Feiern zum Jahreswechsel 1961/62 eingeladen, machte ich mich mit einer Rolleiflex, einer Leica und der Absicht, Fotos zu schießen und sie nach meiner Rückkehr abzufilmen, auf die Reise. Ich hatte noch keinen dieser neuen, verbesserten Apparate, die den Verschluss automatisch öffnen und ein filmisches Maschinengewehrfeuer auslösen. Ein kleines wackeliges Stativ war meine ganze Ausrüstung und die Leica musste zweimal nachladen, was bedeutet, dass ein paar Sekunden zwischen jedem Klicken des Auslösers lagen. Anstatt also durch das Abfilmen zeitlich naher Bilder eine kontinuierliche Bewegung zu erzeugen, ließ sich damit nur eine holprige Abfolge rekonstruieren, durch die der Film den Rhythmus von Cha-Cha-Cha, Bolero, Danson und Guaguancó bekommt. Ich kam mit rund 3.000 Bildern nach Paris zurück und bereitete den Dreh am Tricktisch vor (das heißt, mit einer vertikal über den Fotografien hängenden Kamera). Den Ton hatte ich bereits auf das Positiv übertragen, um die Anzahl der Bilder dem Rhythmus entsprechend zu berechnen. Chris Marker hatte ein Jahr zuvor Cuba sí! gedreht. Ich profitierte von einigen seiner Kontakte, aber mir kam auch zugute, dass ich mich mit den Kubanern auf Spanisch unterhalten konnte. Der afro-kubanische Sozialismus ist eine viel freundlichere Angelegenheit als der Sozialismus des Ostblocks, und Beni Moré fährt mehr in die Beine als die Chöre der sowjetischen Armee. 30 Jahre später habe ich noch immer Freunde dort, bis auf die, die leider schon verstorben sind wie Saül Yelin, der Leiter des kubanischen Filminstituts ICAIC, und Hector Garcia vom Filmarchiv. Dank ihrer lebendigen und innigen Liebe zum Kino wurde Les Parapluies de Cherbourg neben anderen Filmen jedes Jahr am Weihnachtsabend gespielt, und endlich konnte ich ihnen eine frisch restaurierte Kopie mit spanischen Untertiteln bringen. Ich hatte meine Freunde seit 1962 nicht mehr gesehen. Ihr Mut angesichts der Rationierungen und ihre Werteskala bringen mich zum Staunen. Castros Regime ist sicherlich diskutabel, aber es gibt auf der Insel Kuba viele Aktivisten, die an eine gerechte Verteilung, Demokratie und Kultur glauben. Ich wurde manchmal als Castro-Sympathisantin abgestempelt. Falsch. Ich nehme nicht alles für bare Münze, was ich lese und höre (und das schließt die blumigen, endlosen Reden Fidel Castros mit ein), aber ich bewundere Idealisten, die ihre Ideen in die Tat umsetzen, egal welche Entbehrungen es für sie mit sich bringt. Die Kubaner genießen eine ausgezeichnete Bildung, sie sind hoch entwickelt auf den Gebieten Elektronik, Informatik und Medizin, doch die amerikanische Blockade und die aufgehobenen Handelsbeziehungen mit dem Osten machen aus Kuba ein seltsames Land, das keineswegs unterentwickelt, aber extrem arm ist. Ich finde, das Porträt, das ich von Castro gezeichnet habe, ist eine gute Allegorie: ein Soldat mit sanften Augen, unbewaffnet, aber mit Flügeln aus Stein. Agnès Varda «Varda par Agnès» Cahiers du Cinéma & Ciné-Tamaris, 1994 (Übersetzung von Petra Metelko)
(Text: Viennale 2006)
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Details
- Regie
- Agnès Varda
- Kamera
- Agnès Varda
- Author
- Agnès Varda