RISKANTES TURNEN DURCH DIE STADT

Jede Stadt ist eigentlich ein riesiger Spielplatz und lädt geradezu ein, Wände hochzugehen, über Lichtschächte zu flanken, Zimmer grundsätzlich nur durch Fenster zu betreten und wieder zu verlassen, Treppen in Rekordgeschwindigkeit zu überwinden und jeden verfügbaren Vorsprung als Absprungbasis zu verwenden. Die Kunst der Bewegung im urbanen Raum ist tatsächlich eine eigene Sportart und nennt sich Parkour.

Begründet wurde dieser Zeitvertreib für hyperaktive Adrenalinjunkies aus der Großstadt in den 80er Jahren von dem Franzosen David Belle, der als ausgebildeter Schauspieler seine Künste auch mehrfach vor laufender Kamera zeigen konnte. Seine größten Erfolge hatte er in den von Luc Besson geschriebenen und produzierten Action-Reissern „Ghettogangz – Die Hölle vor Paris“ (2004) und „Ghettogangz 2 – Ultimatum“ (2009). Aber wieso die Beschränkung auf Europa? US-Städte bieten sich für derartige Parkour-Künstler doch erst recht an – deshalb war es nur eine Frage der Zeit, bis die Amerikaner ebenfalls die Lust an der ungewöhnlichen Fortbewegung entdeckten und ein Remake von „Ghettogangz“ in Auftrag gaben. Luc Besson selbst mischte für das aktuelle Skript Motive aus beiden Vorgängerfilmen zusammen und baute trotz aller Action auch ein bisschen Sozialkritik ein.

Die Pariser Betonwüste wurde einfach nach Detroit verlegt: dort befindet sich der berüchtigte von der Außenwelt durch hohe Mauern abgeschottete Stadtteil „ Brick Mansion“, wo Armut und Verbrechen regieren und der Drogenbaron Tremaine (Musiker RZA) den Ton angibt. Als eine Waffe mit hohem Zerstörungspotential in dessen Hände gerät, beginnt für einen Undercover-Cop (Paul Walker in seiner letzten Hauptrolle vor dem tragischen Unfalltod im November 2013) und seinen unerwarteten Verbündeten Lino (David Belle persönlich) ein akrobatischer Wettlauf gegen die Zeit. Dabei soll das ungleiche Duo laut Drehbuch nicht nur die Muskeln spielen lassen, sondern auch witzige Wortgefechte austragen, doch die Dialoge wirken - zumindest in der deutschen Synchronfassung - leider ziemlich stumpfsinnig.

Aber schauspielerisches Können oder Eloquenz bleiben hier sowieso bloß zweitrangig, was wirklich zählt sind Tempo und Behändigkeit. Mit Anfang 40 hat Bell noch immer einen Affenzahn drauf und verfügt über unglaubliche Geschicklichkeit bei seinen halsbrecherischen Aktionen, die bestimmt nicht zur Nachahmung empfohlen sind. Geschwindigkeit ist auch beim Erzählfluss oberstes Gebot: am liebsten verwendet Regisseur Camille Delamarre Schnittfolgen im Sekundentakt - und Einstellungen, die länger als 5 Sekunden dauern, waren wohl von vornherein verboten.

Wir lassen uns von Belles Vorbild anstecken, überwinden mit eigener Muskelkraft alle Schreibhemmungen und tippen schnell 7 Film-Punkte von 10 möglichen hierher.