RENDEZVOUS MIT DER VERGANGENHEIT

„Früher war alles viel besser“, diese Aussage kennt man als Österreicher im Allgemeinen und als Wiener im Besonderen sehr, sehr gut. Woody Allens neuer Film „Midnight in Paris“ belegt aber eindrucksvoll, dass die Verklärung vergangener Epochen nicht nur hierzulande ein großes Thema ist.

Gil (Owen Wilson) und seine Verlobte Inez (Rachel McAdams) sind mit den Schwiegereltern auf Urlaub in Paris, der Stadt der Liebe, der Kultur und der Kunst; besonders Letzteres hat es dem erfolgreichen Drehbuchautor, aber blockierten Literaten, angetan. Gil schwärmt von den „inspirierenden“ 20er Jahren in Paris und wirklich - Schlag Mitternacht befördert ihn ein Automobil mit freundlichen Menschen, Zelda und Scott (Fitzgerald wie sich später herausstellt), in exakt jene Zeit.

Wieder spielt eine Stadt in Allens neuem Film die eigentliche Hauptrolle, nach London und Barcelona ist es nun Paris und die Rolle des Amerikaners in Paris wäre vor 20-30 Jahren noch ein klarer Fall für den Schauspieler Woody Allen gewesen: frustrierter Lohnschreiber, seinen Phantasien nachhängend und von „Ungläubigen“ umgeben. Doch Woody ist inzwischen 75 und hat sich daher ein Alter Ego verdient, Owen Wilson spielt im typischen Allen-Outfit diesen leicht neurotischen Charakter und auch wenn man sich den auf Surfer und Cowboys festgelegten Wilson anfangs nicht so recht in dieser Rolle vorstellen kann, beweist Woody Allen wieder einmal sein Händchen für eine außergewöhnliche Besetzung. Die Liste der Darsteller ist durchgehend beeindrucken, ob Madame Sarkozy als Fremdenführerin oder ein Topschauspieler wie Adrien Brody in einer kleinen Nebenrolle mit zwei Minuten Text, es ist immer wieder faszinierend, welche Schauspieler Allen für seine Filme verpflichten kann. Wenn man dann z.B. auch noch die Begeisterung von eben jenem Brody als Salvatore Dali sieht, hält man es für durchaus möglich, dass Allen diesen Schauspielern nicht nur wenig bezahlt, sondern sogar Geld von ihnen bekommt.

Der Reigen der lustvoll dargestellten Ikonen der Vergangenheit dreht sich munter weiter und auf seinen nächtlichen Streifzügen begegnet Gil im Minutentakt so ziemlich jedem/jeder der/die Rang und Namen hat(te). Dieses Stakkato an Prominenz könnte übertrieben erscheinen, ist aber vor allem eines: sehr unterhaltsam. Als Gil schließlich Pablo Picassos Muse Adriana (Marion Cotillard) kennen lernt, entspinnt sich eine zarte Romanze und wir lernen, dass sogar eine Geliebte in der Vergangenheit durchaus gegenwärtige Probleme mit der Verlobten auslösen kann. Doch auch Adriana träumt von einer vergangenen Zeit, der Belle Epoque und als man zur romantischen Soiree ins Maxim reist und Toulouse-Lautrec mit Freunden kennen lernt, stellt sich heraus, dass auch diese gerne in einer anderen Zeit leben würden – und so weiter und sofort.

So gibt uns Woody Allen eine kleine Einsicht mit auf den Weg, die vielleicht so lauten könnte: Die Menschen hätten gerne das, was sie nicht haben und vermuten dieses in der Vergangenheit, sollten es aber eventuell in der Gegenwart oder Zukunft suchen.

Auch wenn „Midnight in Paris“ keinen neuen gesellschaftskritischen Höhepunkt Allens darstellt, muss ich ihm eines der größten Komplimente machen, die es für mich gibt - wenn der Film nach 100 Minuten endet, denkt man sich einfach spontan: Schade, dass es schon vorbei ist! Diesen sympathischen jungen Mann, hätte ich noch gerne länger auf seinem wunderschönen und sehr amüsanten Spaziergang durch Paris begleitet.

Fazit: „Midnight in Paris“ ist eine lebensfrohe, romantische und unterhaltsame Petitesse, die vielleicht nur die kleinen Weisheiten des Lebens bietet, diese aber in einen großen, schönen Film einbettet. Woody Allens Hommage an das Leben und die Liebe im Allgemeinen und an Paris (nicht nur der 20er Jahre) im Besonderen, verdient sich dafür redlich 8,5 von 10 herrlich verregneten Seine-Spaziergängen.