REAKTOR-TOURISTEN MIT PECHSTRÄHNE

Auch stillgelegte Reaktoren üben eine touristische Anziehung aus, besonders wenn ihr Name mit einer spektakulären Katastrophe verbunden ist. Vom Reiz der Gefahr profitiert auch der Leiter von „Uris Extrem-Reisen“, den eine Gruppe sechs junger Leute engagiert, um die derzeitige Geisterstadt Pripyat, wo einst die Arbeiter des Atomreaktors gewohnt haben, besichtigen zu können. Dummerweise treffen sie dort aber keine Geister, sondern sehr handfeste hungrige Wesen - und so haben es sich die Risikourlauber selbst zuzuschreiben, dass dem strahlenden Beginn ihres Unternehmens ein trauriges Blutbad nachfolgt.

Regisseur Brad Parker griff für seinen Spielfilmerstling auf eine Vorlage des seit „Paranormal Activity“ im Horror-Genre bestens eingeführten Oren Peli zurück. Während damals merkwürdige Geräusche im neu bezogenen Haus seltsame Filmgedanken in Peli hervorriefen, diente ihm beim aktuellen Werk der Foto-Blog einer Frau, die per Motorrad durch Pripyat fuhr, als Denkanstoß für seine Geschichte; wodurch das übliche Dezimierungs-Spiel mit voraussichtlichem Anti-Happy End wenigstens in origineller Umgebung angesiedelt ist.

Zuviel Risiko wollte Parker bei den Dreharbeiten verständlicherweise aber doch nicht eingehen: daher fanden die Location-Scouts in Belgrad und nahe Budapest den nötigen Ostblock-Charme. Was aber nichts daran ändert, dass die gekonnt in Szene gesetzten und meist mit der Handkamera eingefangenen Bilder des Verfalls absolut authentisch wirken. Spuren des übereilten Aufbruchs erzeugen tiefe Trostlosigkeit und sogar das - als beliebtes Fotomotiv weltbekannte - kleine Riesenrad wurde nachgebaut.

Die relativ unbekannten Darsteller durften ihre Dialoge weitgehend improvisieren und blieben mitunter sogar im Unklaren darüber, welche Schockmomente in der folgenden Szene auf sie zukommen würden. Solche Verblüffungs-Sekunden übertragen sich im besten Fall aufs Publikum. Die Story entwickelt sich schnörkellos und ganz natürlich, der Horror wird nie zu dick aufgetragen; und auch die Gorelastigkeit hält sich in Grenzen, da Parker als Freund des Halbdunkels erkannt hat, dass eine Bedrohung, die weitgehend der Phantasie des Zuschauers überlassen bleibt, viel unheimlicher wirkt. Und so bekommen wir die mutierten nachtaktiven Gestalten niemals genau zu Gesicht, wenn sie nur sekundenlang durchs Bild huschen.

Dafür nehmen uns die Protagonisten bei ihrer verzweifelten Suche nach einem Entkommen auf ausgedehnte Streifzüge durch eine endzeitlich urbane Wildnis mit, in der es den Menschen die Sprache verschlägt und sich höchstens Bär & Wolf „Guten Tag!“ sagen.

Eine kopflose Flucht durch ausgedehnte Bunkersysteme führt die kleine Schar der noch Bewegungsfähigen immer mehr in Reaktornähe und die zunehmende Strahlenbelastung auf der Leinwand könnte bei Nervösen im Publikum Hautreizungen hervorrufen. Kinobesuchern wird daher nahegelegt, auf jeden Fall ihre eigenen Geigerzähler mitzubringen, weil die Lichtspielhäuser für gewöhnlich nicht genügend Geräte vorrätig haben.

Trotz dem irreführenden Titel (die Chernobyl-Abenteurer haben zum Tagebuch-Führen gar keine Zeit) ist das Werk 8 unsachgerecht entsorgte Brennstäbe wert.