Obrigkeitsfilm

Obrigkeitsfilm

BRD , 1971

Obrigkeitsfilm
Min. 86
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Im Gegensatz zum Ableben Marlon Brandos nahmen die meisten Zeitungen vom Tod des Filmemacher und Maler Vlado Kristl nicht einmal Notiz. Und dabei war Kristl einer der originellsten und eigensinnigsten Künstler, die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland gelebt und gearbeitet haben. Seine anarchischen und improvisierten, poetischen und rauen Filme zählen zu den unterhaltsamsten und ungewöhnlichsten Dokumenten eines individuellen Kampfes gegen Unterdrückung, Feigheit und Obrigkeit. Und dazu Jean-Marie Straub in seiner nach Othon schönsten Kostümrolle, im Ministrantenhemd vor dem Obrigkeitsfeuer. Wie kann man da noch etwas ändern und etwas umstürzen. Der Kampf um irgendwelche Freiheiten, der ist praktisch zu gewinnen und ist in jedem einzelnen Fall auch gewonnen, ist aber im Ganzen verloren eigentlich dadurch, dass die Obrigkeit diese Freiheiten nicht unterdrückt, sondern sie zum Zwang macht. Die Obrigkeit bleibt die Natur der Gesellschaft. Und so bleibt die Anarchie auch weiterhin der einzige Weg gegen diese Wände von Kerkern, Gefängnissen, KZs und Hinrichtungsstätten. (Vlado Kristl, 1971) Der große phantastische spanische Architekt Gaudí, der Baumeister des Jugendstils, ist folgendermaßen ums Leben gekommen: Eine Straßenbahn hat ihn in Barcelona überfahren und da er pflegte, sehr bescheiden gekleidet zu gehen, meinte man, er wäre einer der sowieso zu vielen Armen aus der Stadt und ließ ihn einfach am Straßenrand wie einen Hund verbluten. So ist nun mal die Bürgergesellschaft und die Ordnung. Man muss schon Nerven haben, um nicht durchzudrehen. (Vlado KristbpDass auch er eines Tages konfrontiert sein würde mit dem Tod, das wäre einem nie in den Sinn gekommen, wenn man ihm begegnete, mit ihm Beobachtungen austauschte, wenn man seine Filme und Zeichnungen anschaute, seine Gedichte las. Es war eine wahrhaft unbeschwerte Existenz, mit der man da zu tun hatte, aller Mühsal, allen Miseren zum Trotz, denen er sich ausgesetzt sah, gegen die er tobte, in die er sich fügen musste. Eine Allgegenwart war da zu spüren, die ganz unverbraucht und unerschöpflich war, ganz jugendlich selbst im Alter noch. (Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 09. Juli 2004)

(Text: Viennale 2004)

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