Die Parallelstraße

Die Parallelstraße

BRD , 1961

Die Parallelstraße
Min. 86
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Ein junges Team, das sich über die Herstellung von Industriefilmen zusammengefunden hat, beschließt mit dem Segen und Geld des Chefs der Filmfirma, welcher der Vater des Kameramanns ist, aus dem dokumentarischen Material, das es von Reisen in ferne Länder mitgebracht hat, einen künstlerisch ambitionierten und kommerziell höchst ungesicherten Film zu machen. Solche Wagnisse wurden damals von Produzenten wie Martini oder Norbert Handwerk als «berufliche Verpflichtung» gesehen. Ein Autorenfilm im herkömmlichen Sinn war das nicht - mit ein Grund dafür, dass die deutsche Kritik sehr ungnädig mit dem Ergebnis umging. Ein «Gremium» von fünf Männern soll in wechselnder Besetzung drei Nächte lang unter der Anleitung eines «Protokollführers» die 308 filmischen Dokumente aus dem Leben einer «fraglichen Persönlichkeit» in eine sinnvolle Ordnung bringen. Der Film zeigt das Ende der dritten Nacht und 16 der «Dokumente». In der Rezeption, wie von den Autoren selbst, wurden die Absurdität dieser Aufgabe und das existenzielle Scheitern der Figuren, die in einem Raum wie auf einer abgedunkelten Bühne beisammensitzen, in den Vordergrund gestellt. Die «Dokumente» wurden von den Kritikern als belanglos abgetan und ihre filmische Verarbeitung in keiner Weise gewürdigt. Heute kehrt sich der Blickwinkel um, sind es gerade diese absurden und poetischen Ausblicke in alle Weltgegenden, deren Parallelstraßen damals in keiner globalen, sondern noch rätselhaften Verbindung standen, die das Besondere des Films ausmachen. Auch scheint sich der Reiz der Bilder heute erst richtig zu entfalten. In Frankreich war das schon 1964 anders. Die beiden Kritiker der Zeitschrift «Positif», die sich mit der Parallelstraße beschäftigten, waren sehr bewusst mit dem Surrealismus umgegangen, was sich in ihren Texten niederschlägt. (Dass diese Texte kaum weniger als die deutschen Kritiken ein Ablaufdatum haben, ist interessant festzustellen, schmälert aber nicht ihren Wert.) Jean-Paul Torok schrieb: «Von seiner Weltreise, auf der er die entferntesten und verborgensten Spuren der menschlichen Karawane erforscht hat, hat Khittl Bilder voller Glanz und Geheimnis mitgebracht, deren absurde Perspektiven - jenseits jeder Unzufriedenheit - den unstillbaren Wunsch nach Erkenntnis hervorrufen. Sein Film lädt den Zuseher ein, sich in einem labyrinthischen Netz zu verlieren und sich auf einer imaginären, surrealistischen Ebene zu bewegen, um den Faden der Ariadne zu finden. Man wird sicherlich an L'Année dernière à Marienbaddenken, aber ein Marienbad ausgedehnt auf die Größe der Erde. Und abschließend, um Borges zu paraphrasieren, der in Khittl das getreueste Pendant im Film hat, ein Vorschlag: Die Filme, alle Filme, die uns eine Bedeutung abverlangen, wären sie nicht Teil eines einzigen und stets unvollendeten Films, geschaffen von einem universellen und omnipräsenten Genie, einem rätselhaften und spöttischen Schöpfer von Erscheinungen und Träumen?» Robert Benayoun schrieb: «Es sind Filme wie Die Parallelstraße, die dem zeitgenössischen Film seine intellektuelle Würde geben und den Adel einer wahren Funktion. Die Parallelstraße ist ein philosophischer Thriller, ein Western der Meditation, der uns für ein ganzes Jahr voll unvermeidlicher Manifestationen des Schwachsinns entschädigt.»

(Text: Viennale 2006)

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