Viennale Tag 1: Melancholische Frauen und nostalgische Männer
Nach dem Eröffnungsfilm "Miss Marx“ kann es nun endlich mit Österreichs größtem Filmfestival losgehen. Trotz der andauernden Pandemie zieht es glücklicherweise noch immer zahlreiche Zuschauer in die Kinos der Stadt. Die Corona-Maßnahmen des Festivals sorgten bisher für einen reibungslosen Ablauf, so dass Menschenansammlungen auf engstem Raum verhindert werden konnten. Tickets zu Highlights wie "Druk“ oder "Nackte Tiere“ waren schnell vergriffen, aber der erste Festival-Tag hatte auch andere Hits zu bieten.
ADN
Obwohl sie als Schauspielerin und Regisseurin eine ausgesprochen singuläre Figur ist, erzählt Maïwenn Filme gern im Plural. Sie liebt die Vielstimmigkeit der Blickwinkel und Temperamente. Disharmonien sind in ihren Ensemblefilmen vorprogrammiert; zumal, wenn es um Familien geht: Das Gemeinsame kann auch trennen, spalten. Jeder Angehörige trauert auf eigene Weise, als der Vater - beziehungsweise Großvater - in “ADN” stirbt, aber trotzdem kommt dabei der Humor auch nicht zu kurz. Der Großvater bildete das Rückgrat der algerisch-französischen Familie: Stolz auf seine maghrebinische Herkunft und ebenso stolz, Franzose zu sein. “ADN” ist die schönste Überraschung, die ein Filmfestival seinem Publikum am ersten Tag bieten kann. Nicht verpassen!
Vorstellungen:
27.10 18:30 Urania
29.10 18 Uhr Votiv Kino
30.10 18 Uhr Filmcasino
Ping jing
Lin hat sich von ihrem langjährigen Freund getrennt; nun muss sie erst wieder lernen, sich alleine durch ihr Leben zu bewegen. Die Schritte sind noch etwas zögerlich, doch entschlossen: Lin reist, besucht alte Freundinnen, kümmert sich um ihre Eltern, arbeitet an ihrem neuen Film und sucht Trost in der Natur. Ihre Trauerarbeit ist jedoch allzu steril und leblos umgesetzt. Die langen stillen Passagen wollen eine Tiefgründigkeit suggerieren, die dieses Drama einfach nicht erzeugen kann. “Ping jing” kann leider nicht über den Rang einer harmlosen Aneinanderreihung von Alltagsmomenten hinauswachsen.
Vorstellungen:
26.10 18 Uhr Votiv Kino
30.10 21 Uhr Metro Kino
The Woman Who Ran
Die Abwesenheit des Gatten auf Geschäftsreise nutzt Gamhee, um alte Freundinnen in Vororten von Seoul zu besuchen. Dabei wird natürlich viel geredet – und des Öfteren in zahlreich vorhandene Fettnäpfchen getreten. Darauf jedoch folgt statt peinlichen Schweigens ein behutsames Umkreisen des Benimm-Fehlers, bis schließlich der Kern der Sache sichtbar wird: ein meist recht kompliziertes Gefühl. Zur Abwechslung erteilt der große Inszenator der selbstmitleidigen Männer-Rede, Hong Sangsoo, den Frauen das Wort; und sie danken es mit einem von freundlichem, trockenem Humor durchdrungenen Geschichten-Gespinst, das federleicht ist und dabei doch tief schürft. “The Woman Who Ran” ist minimalistisch, klug und zeigt, dass es möglich ist, großes Kino auch mit wenig Mitteln zu machen.
Vorstellungen:
26.10 23 Uhr Gartenbaukino
28.10 18 Uhr Votiv Kino
29.10 20:30 Le Studio
30.10 15 Uhr Gartenbaukino
Aufzeichnungen aus der Unterwelt
Die neue Doku von Tizza Covi und Rainer Frimmel widmet sich den ehemaligen Akteuren der Wiener Unterwelt. In Interviews berichten die inzwischen alten Herren mit viel Charme von Messerstechereien und Schussgefechten in den 60er Jahren. Stück für Stück geben die Erzählungen einen immer tieferen Einblick in eine wilde Zeit, die man höchstens aus Scorsese-Filmen kennt. Die Geschichten einer längest vergangenen Zeit eröffnen einen neuen Blick auf die Hauptstadt und deren ehemalige Ganoven. "Aufzeichnungen aus der Unterwelt“ erhielt auf der diesjährigen Berlinale eine lobende Erwähnung.
Vorstellungen:
24.10 17:45 im Stadtkino
25.10 14:30 im Gartenbaukino
29.10 20:30 im Votiv Kino
1.11 18 Uhr im Admiralkino