"Vienna Shorts"-Interview: "Schwerpunkte 2024 breiter angelegt"

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Der Leiter des Wiener Kurzfilmfestivals verrät unter anderem, was einen guten Kurzfilm ausmacht.

Was wünschst du dir am meisten im Leben? Diese Frage stellt Krzysztof Kieślowski seinen Protagonist:innen in der Kurzdoku Talking Heads und erhält Antworten, die zwischen persönlichen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Träumen zu verorten sind. Diese Frage ist es auch, die VIENNA SHORTS, Wiens internationales Kurzfilmfestival heuer zwischen 28. Mai und 2. Juni umtreibt: What Are You Longing For

Was Festivalleiter Daniel Hadenius-Ebner unter dieser Frage versteht, hat er film.at in einem Interview verraten, bei dem er auch viele Programm-Highlights vorstellt.

film.at: Was macht einen guten Kurzfilm für Euch aus?

Daniel Hadenius-Ebner: Dass er einfach alles sein kann – nur nicht lang. Der Kurzfilm kann eine Geschichte erzählen oder abstrakt sein, kann mit einem Genre spielen oder visuell überzeugen, er kann uns in kürzester Zeit für soziale Brennpunkte sensibilisieren oder mit geringsten Mitteln eine enorme emotionale Resonanz erzeugen. Nachdem wir unter Kurzfilm alles zwischen 1 und 30 Minuten verstehen, kann die Bandbreite also wirklich sehr groß sein. Manchmal ist es die radikale Utopie, die einen förmlich umwirft; dann ist es die kreative Art des Geschichtenerzählens, die uns überraschen kann; und dann wieder ist es die provokante Umsetzung, die uns zum Lachen bringt oder uns ohne Umschweife in der Magengrube trifft. Sicher ist nur: Wenn der Film gut ist, wird er beim Publikum jedenfalls einen bleibenden Eindruck hinterlassen – und das ist beim Festival unser erklärtes Ziel.

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Aus dem Programm von Vienna Shorts 2024

Was waren die größten Herausforderungen bei der Erstellung des diesjährigen Programms? 

Einerseits ist das erste Jahr nach einem großen Jubiläum immer eine Herausforderung, weil dieses ganze emotionale und bisweilen nostalgische Element in der Vorbereitung wegfällt. Gleichzeitig gab uns das aber auch die Freiheit, uns wieder verstärkt auf den Kern des Festivals und seinen inhaltlichen Rahmen zu konzentrieren: die Entwicklung von Talenten, das Vernetzen der Branche und das nachhaltige Sichtbarmachen von Filmen, die sonst in Österreich nicht zu sehen wären. Letzteres gelingt nun nicht zuletzt mit der neuen Streamingplattform THIS IS SHORT, die wir vor ein paar Monaten mit fünf anderen Festivals gemeinsam ins Leben gerufen haben und die nun jene Filme, die wir beim Festival zeigen, auch über einen längeren Zeitraum öffentlich verfügbar macht.

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Szene aus einem Kurzfilm bei Vienna Shorts 2024

Haben sich thematische Schwerpunkte herauskristallisiert? 

Das Festival ist ja ohnehin sehr breit aufgestellt und bietet Programm für Groß und Klein, insofern sind die Schwerpunkte eher breiter angelegt. In diesem Jahr wurde etwa die Kinder- und Jugendschiene mit einem eigenen “Coming of Shorts”-Tag noch einmal gestärkt, für Freund:innen des animierten Films gibt es heuer nicht nur den Wettbewerb, sondern am Festivalfreitag einen ganzen Animationstag inklusive einer sechsstündigen Live-Performance. Fans von Musik vor und auf der Leinwand kommen nicht nur mit dem Österreichischen Musikvideopreis inklusive Live-Konzert von Kimyan Law auf ihre Kosten, sondern auch mit zwei Live-Performances in der Ovalhalle im MQ. Dazu gibt’s dieses Jahr wieder Genre-Kino vom Feinsten in der Late Night – und naturgemäß kommen wir beim Festival auch an politischen Themen nicht vorbei…

 

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Beitrag zu Vienna Shorts 2024 im Musikvideosektor

Haben sich geopolitische Konflikte in den eingereichten Arbeiten widergespiegelt?

Ja, auf jeden Fall. Es ist ja bekanntlich eine Stärke des kurzen Formats, dass grundsätzlich sehr schnell auf die Entwicklungen um uns herum reagiert werden kann. Und bei über 6.000 Einreichungen aus aller Welt kommt es nicht überraschend, dass wir heuer Programme zur Ukraine oder zum Superwahljahr und dem internationalen Rechtsruck zeigen. Sehr viele Arbeiten beschäftigen sich auch mit der Umwelt und den Folgen der Klimakrise, auch die Themen Migration und Menschenrechte kommen in mehreren Programmen vor. Es geht beim Festival immer bis zu einem gewissen Grad um die Welt, in der wir leben – entsprechend widmen wir uns gemeinsam mit dem Österreichischen Filmmuseum auch dem wieder aufgeflammten Nahostkonflikt und zeigen zwei Kurzfilme von Amos Gitai in einem Spezialscreening.

 

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Filmbeitrag zu Vienna Shorts 2024

Das diesjährige Motto lautet „What Are You Longing For?”. Wie kam es zu diesem Motto? Was steckt dahinter?

Wenn wir auf die Welt schauen, kann diese bisweilen doch ganz schön deprimierend sein. Entsprechend haben wir uns ertappt, wie wir immer öfter sehnsüchtig Wünsche formuliert haben, die dieser aufkommenden Depression quasi positive Ziele und Ideen entgegenhalten. Es geht also um die Sehnsucht als innere Antriebskraft und die Frage, wo uns diese Sehnsucht hinbringen kann – als Einzelperson, aber auch als Gesellschaft. Es geht also um diesen Wunsch nach mehr: mehr Frieden, mehr Freiheit, mehr Beständigkeit, mehr Paradies. Und diesem Sehnen gehen wir in mehreren Programmen nach, nicht zuletzt auch in der Eröffnung, wo mit Kieślowskis Film “Talking Heads” auch der Ausgangspunkt für den diesjährigen Fokus zu sehen sein wird.

 

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Regisseurin Jyoti Mistry

Als Ehrengäste sind heuer Yann Gonzalez und Jyoti Mistry geladen. Was macht ihre Arbeiten für Euch so besonders?

Beide kommen künstlerisch aus einer ganz anderen Richtung, aber was sie verbindet, ist ihre kompromisslose Arbeit und ihr humanistischer Geist. Gonzalez kommt aus dem Genre-Kino, seine Filme sind explizit, obskur, brutal und emotional zugleich, und seine Figuren sind immer Außenseiter auf der Suche nach Liebe und Erlösung. Jyoti Mistry widmet sich, wenn man so will, ebenfalls den Ausgestoßenen unserer Gesellschaft, kommt aber über das Archiv und die poetische Kompilation des Materials, wenn sie sich mit Rassismus, Femiziden und queerer Liebe beschäftigt. Beide haben eine eigene Handschrift entwickelt, die unverkennbar ist, und beide Programme kann ich allen Festivalbesucher:innen nur wärmstens ans Herz legen, denn die Filme von beiden lassen niemanden kalt.

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Beitrag zu Vienna Shorts 2024

Ihr habt einen nationalen und einen internationalen Wettbewerb. Wie seht Ihr die Qualität der österreichischen Kurzfilme im internationalen Vergleich?

Der österreichische Kurzfilm muss sich im internationalen Vergleich keineswegs verstecken. Sowohl im Österreich-Wettbewerb als auch bei den österreichischen Musikvideos ist das Niveau mittlerweile unheimlich hoch. Und wenn man sieht, dass ehemalige Preisträger von uns wie Mo Harawe, der jetzt mit seinem ersten Langfilm gleich nach Cannes eingeladen ist, oder die Gruppe Total Refusal, deren Arbeiten inzwischen auf den weltweit größten Festivals laufen, international reüssieren, ist mir um die Zukunft des österreichischen Films nicht bang.

Auf welche Programme, abseits der Wettbewerbe, darf sich das Publikum noch freuen?

Nachdem die Konkurrenz im internationalen Wettbewerb sehr hoch ist, haben wir in der Sektion Favoriten Programme zusammengestellt, die Preisträger:innen anderer Festivals. Die sind eigentlich immer sehr sehenswert, weil man auch einen guten Einblick in die Szene und aktuellen Trends bekommt. Das Kinderprogramm ab 4 Jahren ist auch sehr speziell, weil’s da richtig rund geht im Kinosaal. Die Open-Air-Programme im MuseumsQuartier sind, bei freiem Eintritt, atmosphärisch nochmal sehr empfehlenswert. Und am Freitagnachmittag diskutieren wir im Rahmen von “Film & Talk” über Festivals als “safer spaces” und Aktivismus im Kurzfilm. Das kann auch sehr spannend werden.

 

Festivalpässe sind seit 11. April verfügbar. Freier Eintritt bis 18 Jahre, sowie mit Nonstop-Abo oder Kulturpass. Das vollständige Festivalprogramm ist seit 7. Mai unter viennashorts.com oder über die Festival-App abrufbar.