"Supersex": Die wahre Geschichte der Netflix-Skandalserie

Szene aus "Supersex"
Die neue Netflix-Serie ist vom wahren Leben von Porno-Ikone Rocco Siffredi inspiriert. Wir beleuchten dessen Mythos näher.

Achtung: Dieser Artikel ist für Leser:innen unter 18 Jahren nicht geeignet!

Unsereins freut sich, wenn er zum Geburtstag einen "Minus 10 Prozent"-Gutschein vom Supermarkt des Vertrauens im Postkasterl vorfindet. Oder zum "Mitarbeiter:in des Monats" gewählt wird und deshalb ein Kantinen-Mittagessen gratis bekommt. Home-Videos betiteln wir mit "Urlaub mit der Familie am schönsten Strand der Welt" oder, wenn wir besonders crazy drauf sind, mit "Geburtstagsparty mit Weed-Fun". Und wenn wir uns in der Umkleidekabine des Gyms nicht vor Scham verstecken müssen, dann fühlen wir uns sowieso wie der King oder die Queen der Welt.

Bei Rocco Siffredi schaut die Welt ein bisschen anders aus. Zuhause im Regal stehen Awards für "Best Anal Sex Scene" oder "Best Group Sex Scene". Seine Videos drehen sich nicht um Familienidylle, sondern um "Buttman’s European Vacation", "Furious Fuckers – Final Race" oder auch "Rocco’s True Anal Stories". Mit rund 5.000 Kolleginnen ist er nicht nur Kaffee trinken gegangen, sondern hatte (knallharten, gar gewaltvollen) Sex vor der Kamera. Und wenn ER sich in der Umkleidekabine zeigt, sind ihm sämtliche Blicke sicher – weil er 24 Zentimeter sein Eigen nennt.

Der Name Rocco Siffredi sagt dir also wahrscheinlich etwas, auch wenn du es nicht zugeben willst. Denn er gilt als eine der größten Porno-Legenden aller Zeiten. Netflix hat ihm mit der Serie "Supersex" ein biographisches Denkmal gesetzt.

Inspiriert von Alain Delon

Rocco Antonio Tano, wie Siffredi mit bürgerlichem Namen heißt, wurde am 4. Mai 1964 in Ortona, Italien in ärmlichen Verhältnissen geboren. Früh schon entdeckte er die Lust an Pornographie – aber nur passiver Zuseher zu sein, war ihm zu wenig. Er wollte selbst Teil der Action sein, mittendrin statt nur dabei sozusagen. 

Mit 21 zog er nach Paris, besuchte verschiedene Sexclubs und wurde dort vom französischen Pornodarsteller und Regisseur Gabriel Pontello (eventuell aufgrund seiner Mega-Ausstattung?) entdeckt. Im selben Alter spielte er in seinem ersten pornographischen Film mit und legte sich auch seinen Künstlernamen zu – abgeleitet von der Figur Roch Siffredi, die Alain Delon in "Borsalino" (1970) spielte.

Insgesamt in mehr als 640 Pornos hat Siffredi seitdem mitgespielt (zwischendurch verabschiedete er sich immer wieder vom Porno-Business, nur um stets kurz danach zurückzukehren). Berühmt wurde er nicht nur wegen seines großen Penis, sondern auch aufgrund seiner Natürlichkeit vor der Kamera, seiner authentischen Dominanz und der echten Leidenschaft am Sex. 

Siffredi spezialisiert(e) sich auf (sehr harte) Analsex- und Gruppensexszenen, BDSM- und andere Fetischinhalte; auch schwule und bisexuelle Szenen sind in seinem Repertoire zu finden. Seine Arbeit ist oft von einer starken Rohheit geprägt, wobei er auf übertriebene Inszenierungen und künstliche Settings verzichtet.

Tabus zu brechen wurde schnell zu Siffredis Markenzeichen ...

Einer der ganz ... ähm ... Großen der Branchen

... nicht nur als Darsteller, sondern auch als Produzent und Regisseur. Denn Siffredi nutzte seinen Ruhm und seinen Erfolg, um auch hinter der Kamera tätig zu sein. Seine Produktionsfirma gehört zu den erfolgreichsten der Branche. Im Laufe der Jahre heimste Siffredi zahlreiche Auszeichnungen ein, darunter mehrere AVN Awards, Venus Awards und XBIZ Awards (quasi die Oscars, Golden Globes und Emmys der Porno-Industrie). Zählt man die Filme, in denen Siffredi als Darsteller, Regisseur und Produzent mitgewirkt hat, zusammen, kommt man auf mehr als 1.500 Titel.

Heute gilt Rocco Siffredi als Porno-Legende, als "Italian Stallion", die Erotikindustrie prägte er in der Prä-Internet-Ära entscheidend mit. Siffredi ist einer der größten männlichen Stars der Branche, der auch im popkulturellen Mainstream Einzug gefunden hat – in Italien gilt er als Nationalheld (und beliebter Werbeträger, beispielsweise von Kartoffelchips). "Für mich ist Sex nicht nur ein Job, sondern eine Leidenschaft. Ich liebe es, Menschen zu zeigen, wie schön und intensiv die menschliche Sexualität sein kann", soll er mal gesagt haben. 

Und weil Siffredi die Zukunft des Pornos am Herzen liegt und Jobmöglichkeiten für den Nachwuchs schaffen möchte, gründete er in Budapest seine eigene Porno-Akademie, in der Newcomer:innen vom Besten der Besten lernen können. Wie dort wohl der Stundenplan und eine Unterrichtsstunde aussieht ...?

Privat ist er brav

Siffredi gilt in der Branche weithin als beliebt, oft wird er als bodenständig und familiär beschrieben, er selbst bezeichnet sich als gläubig. Er ist verheiratet und hat Kinder. Zudem ist Siffredi sozial engagiert und hat sich in der Vergangenheit bereits mehrmals für verschiedene wohltätige Zwecke eingesetzt.

Also alles Friede, Freude, Eierkuchen (hüstel! hüstel!) bei Rocco Siffredi? Nicht ganz. Zum einen werden seine Filme aufgrund des sadistischen Umgangs mit Frauen sowie der extremen weiblichen Objektifizierung immer wieder stark kritisiert; die Darsteller:innen werden in den Szenen an ihre Grenzen gebracht. "Ich möchte Emotionen sehen … Angst … Aufregung … die Augen, die vor Überraschung aufgehen", so Siffredi in einem Interview. 

Trotz genannter Kritik ist aber nicht bekannt, dass gegen Siffredi Vorwürfe von Missbrauch oder ähnliche sexuelle Überschreitungen erhoben wurden. "Jedes Mädchen in der Branche, das mit ihm zusammen war … wird Ihnen sagen, dass sie Dinge mit ihm gemacht haben, die sie nie mit jemand anderem machen würden", so Porno-Star Bobbi Starr im Gespräch mit "Redhotpie". Der Interpretationsspielraum dieser Aussage ist groß.

Ein Leben voll von Kompensationen 

Tief in Siffredis Seele tun sich aber dunkle Wolken auf. Sein Leben scheint von der Frage, wann Begehren in Sünde umschlägt, wann Lust zur Last wird, geprägt zu sein. Licht und Schatten der Sexualität liegen bei dem Italiener gefährlich nahe beieinander. Geraume Zeit war auf Netflix die Dokumentation "Rocco" zu sehen, die sich dem Leben und der Karriere Siffredis annimmt – erschreckende Behind-the-Scenes-Aufnahmen und vielleicht noch erschreckendere Einblicke in seine Psyche inklusive.

Frei von der Leber weg erzählt der mittlerweile 59-Jährige vor der Kamera von seiner alles verschlingenden Sexsucht, die er als "eine Art von Teufel in mir" beschreibt, und der fehlenden Liebe in der Kindheit. Je machohafter er vor der Kamera wirkt, desto zerbrechlicher ist in Wirklichkeit seine Seele. Siffredis Leben ist von Kompensationen, Selbstzweifeln, Widersprüchen und inneren Dämonen geprägt. 

Da bleiben wir dann doch lieber bei unseren Geburtstagsgutscheinen, Urlaubsvideos und Gratis-Kantinen-Mahlzeiten.

"Supersex" ist jetzt auf Netflix zu sehen. Hier geht's zur Serie!