"Stranger Things 3" macht immer noch höllischen Spaß

Serien-Review: "Stranger Things 3"
Serien-Review: Auch in der dritten Staffel hält die Netflix-Serie das hohe Niveau bei Fun, Action und Spannung, auch wenn die Story dünner wird.

Sommer 1985. Mit dem jugendlichen Michael J. Fox am Steuer machten die Kids der 80er-Jahre im Kino einen Ausflug in das Jahr 1955. Mehr als 30 Jahre später erweisen die Regie-Brüder Matt und Ross Duffer den Kindern des 21. Jahrhunderts – und wohl auch ihren Eltern – eine ähnliche Freude: Die dritte Staffel von "Stranger Things" ist da. Endlich!

Seit der letzten Episode von "Game of Thrones" ist die Netflix-Serie wohl die populärste noch laufende TV-Serie der Welt. Das wundert nicht wirklich, denn dank gelungenem Genre-Mix und perfektem Retro-Style versammelt sie die Generationen ab (offiziell) 16 Jahren vor dem Fernseher. Aber kann die dritte Staffel das hohe Niveau der ersten beiden Staffeln halten?

Unsere Antwort ist ein eindeutiges, aber nicht uneingeschränktes Ja!

"Stranger Things 3" macht immer noch höllischen Spaß. Zwar gibt es (wie auch in den Staffeln davor) gelegentliche Längen. Die konnten mich aber nicht vom Binge-Watching der gesamten Staffel, acht Stunden in Einem durch, abhalten. Das schafft nicht jede Serie. Schon gar nicht jede Netflix-Serie. Aber die acht neuen Folgen sind wieder ein spannender Höllentrip voller Humor und Action.

Allerdings gibt es auch ein paar Kritikpunkte, die aber erst im Nachhinein wirklich auffallen. Kurz gesagt: Die Story wird langsam dünner, gleichzeitig wird (leider) der Drang der Serien-Macher größer wie bei einem Kino-Sequel noch einmal ein Schäuferl von Allem draufzulegen. Aber zugegeben: Das ist Jammern auf ziemlich hohem Niveau!

Soviel zum Spoiler-freien Review. In der folgenden film.at-Serienkritik gehen wir ein wenig mehr ins Detail. Wer die dritte Staffel von "Stranger Things" noch nicht gesehen hat, der sei an dieser Stelle gewarnt: SPOILER-ALARM!

 

"Stranger Things 3" macht immer noch höllischen Spaß

John Hughes im Clinch mit John Carpenter

Sommer 1985. In Hawkins, Indiana, ist alles ruhig. In wenigen Tagen wird der 4. Juli wie es sich für den US-Unabhängigkeitstag gehört mit einem ordentlichen Feuerwerk gefeiert. Zu "Never Surrender" von Corey Hart knutschen Mike (Finn Wolfhard) und Eleven (Millie Bobby Brown) in ihrem Zimmer. Wahl-Papa Jim Hopper (David Harbour) sitzt im Nebenzimmer auf glühenden Kohlen. Teenager in Love. Hopper kommt mit dem erwachenden Liebesleben von Eleven ganz schlecht zurecht. Doch er ist nicht der einzige, dem die Liebe und die damit einhergehenden Veränderungen zu schaffen machen.

"Stranger Things 3" ist nicht mehr Steven Spielberg mit einem krassen Schuss Stephen King, sondern eher John Hughes im Clinch mit John Carpenter! Beim Humor schlägt sich das in Form einer romantischen Teenie-Komödie nieder. Das passt meist zur Entwicklung der Charaktere. Lediglich dass sich auch Hopper und Joyce (Winona Ryder) wie pubertierende Teenager aufführen, ist ein wenig irritierend. Aber die romantische Teenie-Komödie kippt ohnedies immer wieder in den sich anbahnenden Horror, der diesmal von "Das Ding aus einer anderen Welt" (1982) und "Die Körperfresser kommen" (1978) inspiriert ist.

Serien-Review: Stranger Things 3

Abgesehen davon, dass diese großartigen Horrorfilme gute Vorlagen abgeben, dient es auch dem Spannungsaufbau der dritten Staffel. Denn natürlich kann sich jeder denken, dass die Bedrohung aus dem Upside-Down keineswegs vorbei ist. Es ist die Art und Weise wie sie sich vor unseren Augen langsam aufbaut, die "Stranger Things 3" zum nervenzerfetzenden Höllentrip macht.

Wie schon in den ersten beiden Staffeln bilden sich wieder mehrere "Teams", die sich getrennt voneinander auf eine Spur begeben. Aber im Gegensatz zur vergleichsweise strukturierten Suche nach Will Byers in der ersten Staffel, laufen hier alle ziemlich planlos in Hawkins umher. Freilich kann diese Planlosigkeit durchaus als Verwirrung im Zuge der Veränderungen des Erwachsenwerdens interpretiert werden. Denn das Thema Veränderung zieht sich als Metapher durch die ganze Staffel. Trotzdem wirkt es oft so, als ob alle entweder vor den Russen oder vor dem Monster ohne echten Plan weglaufen. Aber das hält uns auch ständig in Atem. Es wird nie langweilig.

 

"Stranger Things 3" macht immer noch höllischen Spaß

Was wollen die Russen eigentlich?

Neben dem Schattenmonster gibt es diesmal eine weitere Bedrohung: Die Russen, oder um genau zu sein: die Sowjets, haben sich tief unter Hawkins festgegraben. Sie arbeiten daran, das Tor zum Upside-Down wieder zu öffnen. Damit wird die Verschwörungstheorie vom russischen Spion aufgegriffen, die der schrullige Murray Bauman (Brett Gelman) schon einmal erwähnt hatte. Das passt in die Zeit des Kalten Krieges und verweist auch noch auf aktuelle Ereignisse.

Zur Story von "Stranger Things 3" passt es eher nicht, wenn man darüber im Nachhinein nachdenkt: Dass Russen mitten im Kalten Krieg (binnen eines Jahres?) unter einer US-Kleinstadt unbemerkt eine so riesige unterirdische Anlage bauen können, ist eher unwahrscheinlich. Aber naja, wirklich realistisch war die erfolgreiche Invasion der USA durch sowjetische Truppen in die "Die rote Flut" (1984) auch nicht. That's not the problem! Als zusätzliches Retro-Element sind die Russen schon ok. Der Russe Grigori (Andrey Ivchenko) ist zudem eine wunderbare "Terminator"-Referenz.

"Stranger Things 3" macht immer noch höllischen Spaß

Am Russen-Plot stört aber, dass der Handlungsstrang nichts Neues über Ursprung oder Wesen des Upside-Down verrät. Wir wissen lediglich, dass die Russen in Hawkins sind, weil hier das Portal ins Upside-Down zum ersten Mal geöffnet wurde. Sonst erfahren wir nicht viel. Warum wollen die Russen das Tor zur anderen Dimension öffnen? War das Upside-Down nicht eigentlich eine zufällige Entdeckung im Zuge der Forschung an Kindern mit übernatürlichen Kräften? Die in der zweiten Staffel spektakulär und mit einer eigenen Episode etablierte Geschichte rund um Kali und andere Kinder mit übernatürlichen Fähigkeiten wird einfach ignoriert.

Stattdessen wird mit den Russen eine völlig neue Richtung beschritten. Aber eben ohne die bisherige Geschichte wirklich weiterzuentwickeln. Der Russen-Plot dient vor allem als Filler, um zwei der "Teams" zu beschäftigen, und am Schluss als Instrument, um das Schattenmonster durch das Schließen des Tores schnell loszuwerden (ohne schon wieder Eleven die Drecksarbeit machen zu lassen). Trotzdem: Fun, Action, Spannung und Retro-Faktor sind hoch. Wie gesagt: Hier handelt es sich um Jammern auf hohem Niveau.

 

"Stranger Things 3" macht immer noch höllischen Spaß

Warum ändert das Schattenmonster seinen Zombie-Plan?

Die ursprüngliche Theorie der Kids dürfte wohl richtig gewesen sein: Der Mind Flayer wurde in unserer Welt eingeschlossen, als er aus dem Körper von Will Byers vertrieben und das Tor zum Upside-Down geschlossen wurde. In der ersten Episode nehmen die Russen ihr Gerät in Betrieb und beginnen das Tor langsam wieder zu öffnen. Dadurch wird das Schattenmonster wohl wieder aktiviert. Es fängt zunächst an sich mit Ratten einen ekeligen Körper aufzubauen. Bis es dann den armen Billy (Dacre Montgomery) übernimmt. Der sorgt für Nachschub an menschlichen Körpern, so dass sich der Mind Flayer eine kleine Zombie-Armee aufbauen kann.

Gute Strategie! Denn das Monster hat erkannt, dass Eleven nicht alle bösen Ableger killen kann. Aber wieso ändert das dämliche Ding dann die Strategie plötzlich? Statt einer "Dawn of the Dead"-artigen Belagerung durch Unmengen an Mind-Flayer-Zombies in der Starcourt Mall bekommen wir ein Riesenmonster-Finale. Hier wirkt "Stranger Things 3" einmal mehr so, als ob in der Mitte der Staffel ein neues Autoren-Team die Ideen aus der ersten Hälfte über Bord wirft und doch etwas ganz Anderes probiert.

 

"Stranger Things 3" macht immer noch höllischen Spaß

Ist Hopper wirklich tot?

Zum Schluss kann ich mir natürlich die Frage nicht verkneifen, ob Hopper wirklich tot ist. Sein Tod erscheint mir als unnötiges Drama am Schluss. Der Hollywood Reporter meint in der Rede von Hopper, die Eleven am Schluss liest, mögliche Hinweise zu entdecken, dass er zurückkehren wird. Könnte es sein, dass er ähnlich wie Eleven am Ender der ersten Staffel einfach ins Upside-Down gezogen wurde. Könnte er sogar der Amerikaner sein, den die Russen in ihrer Einrichtung in Kamtschatka gefangen halten? Allerdings wäre auch Dr. Martin Brenner (Matthew Modine), der Leiter der Hawkins Labs aus der ersten Staffel, ein heißer Tipp für die Identität dieses mysteriösen Gefangenen. Jedenfalls wäre es durchaus möglich, dass Hopper noch lebt und – wie Will Byers – im Upside-Down nicht nur überlebt, sondern irgendwie sogar einen Weg zurück in unsere Welt findet.

Die vierte Staffel ist bereits sicher. Keineswegs sicher ist nach dieser Staffel hingegen, ob die vierte auch die letzte Staffel von "Stranger Things" sein wird.