“Squid Game”: PsychologInnen erklären, warum wir die Serie lieben
"Squid Game" gilt etwa ein Monat nach Erscheinen mit mehr als 111 Millionen ZuseherInnen jetzt schon als beliebteste Netflix-Serie aller Zeiten.
In der Serie treten verschuldete Menschen aus Südkorea in Kinderspielen gegeneinander an, um am Ende ein Preisgeld in Milliardenhöhe zu gewinnen. Was sie anfangs nicht wissen: Die VerliererInnen werden getötet. Die Serie strotzt daher nur so vor Blutspritzern, Aggression und brutaler Szenen.
Man könnte meinen, dass die Serie daher eigentlich nichts für eine derart große Zielgruppe ist. Doch abgesehen davon, dass Netflix und Produzent Dong-hyuk mit "Squid Game" eine großartige und meist gut durchdachte Show liefern, gibt es für den Erfolg einige Gründe, die sich mit psychologischen Faktoren herleiten lassen, wie "Bustle" erklärt.
Achtung, dieser Artikel enthält Spoiler zur ersten Staffel von "Squid Game".
Identifikation?
"Squid Game" kann als Kapitalismus-Kritik gesehen werden: 456 verschuldete Menschen kämpfen um Leben und Tod, um reich zu werden. Organisiert werden die Spiele seit Jahrzehnten von anderen reichen Menschen, die sich am Leid der Armen ergötzen.
Vor allem nach der globalen Corona-Pandemie, die für viele Menschen finanzielle Folgen mit sich brachte, könne man sich laut dem Psychologen Dr. Eric Bender mit den SpielerInnen teilweise identifizieren. "Leute können sich damit identifizieren, nicht Teil der regierenden Klasse, sondern eher Underdogs oder Unterdrückte zu sein", so Bender. Auch "Parasite", die Oscar-prämierte Produktion aus Südkorea, übte Kritik an der Kluft zwischen Arm und Reich und zeigte auf, dass damit nicht nur ein regionaler Nerv getroffen wurde.
Grace Jung, Absolventin der UCLA in Kino- und Medienforschung, erklärt ergänzend, dass im Kapitalismus alles als ein Investment angesehen wird, wobei die Geringverdienenden von den erhofften Benefits am wenigsten profitieren würden. "Durch Schulden fühlt man sich verletzlich, ängstlich und verzweifelt", so Jung.
Wegen dieser Verzweiflung kämpfen die SpielerInnen in "Squid Game" gegeneinander. Obwohl sie die Möglichkeit hätten, die Spiele zu beenden, riskieren sie lieber ihr Leben, als sich mit den Folgen ihrer Schulden in der realen Welt auseinandersetzen zu müssen. Sie ertragen lieber die Angst, die Gewalt und den Tod, als mit der Möglichkeit ewiger Armut weiterleben zu wollen. Die Gewalt sei dabei aber schon fast nebensächlich für das Publikum, wie Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Praveen Kambam erklärt – man hätte Mitleid und in gewisser Art und Weise Verständnis für die Teilnehmenden.
Grausamkeit der Kinderspiele
Kinderspiele haben teilweise grausame Züge: Beispielsweise gibt es beim Stopptanz plötzlich keinen Platz mehr für ein Kind, beim Völkerball werden die Schwächeren von den Stärkeren mit einem Ball abgeschossen. Dabei wird stets suggeriert: Du warst nicht gut genug, wenn du verlierst.
Diesen Umstand setzt "Squid Game" laut Dr. Bender besonders clever um: Der Spielpatz wird zum Synonym für die brutale Geschäftswelt. Die Serie schafft es dadurch, ein Dilemma bei Kinderspielen auf die Erwachsenenwelt umzulegen und lässt die Frage aufkommen: Wie würde ich handeln?
"Wir tendieren dazu, unsere moralischen Werte zu überschätzen und die Gruppendynamiken zu unterschätzen", meint Dr. Kambam. Sie ist der Meinung, dass wir uns durch Serien wie "Squid Game" selbst hinterfragen würden. "Das ist beängstigend und aufregend zugleich", fügt die Psychologin hinzu.
Hoffnung
Neben all der Gewalt überwiegt jedoch eines: Hoffnung. Hoffnung des Publikums, dass es die liebsten Charaktere lebendig aus den Spielen schaffen. Hoffnung, dass die Figuren für ihren Einsatz belohnt werden, und Hoffnung, dass der Polizist die Spiele auffliegen lässt und in Zukunft niemand mehr unter den perfiden Plänen reicher Menschen leiden muss.
Medienpsychologin Dr. Rutledge fasst abschließend zusammen: Weil wir hoffen, glauben wir, dass wir auch unsere eigenen Probleme lösen können.
"Squid Game" ist auf Netflix zu sehen. Eine zweite Staffel wurde bisher nicht bestätigt, scheint aber aufgrund des unglaublichen Erfolges durchaus wahrscheinlich zu sein.