Wieso lieben wir schlechte Weihnachtsfilme so sehr?

"Weihnachten auf der Mistelzweigfarm" auf Netflix
Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, wieso wir zu Weihnachten plötzlich auf filmische Qualität pfeifen.

Kaum beginnt die Weihnachtszeit (gefühlt also bereits direkt nach dem Sommer), schießen auch besinnliche Filme rund um das jährliche Fest der Liebe wie die Lebkuchen aus Omas Backrohr und der Weihnachtsmann aus dem Kamin. Das ist gut so, wir beklagen uns nicht, denn ein Feiertag ist erst dann ein feierlicher, wenn er filmisch passend untermalt ist. Für einen Feiertag, an dem traditoniellerweise die gesamte Familie aufeinandertrifft, gilt das wahrscheinlich ganz besonders.

Auch wenn gerne zu dieser Zeit nach den "besten Weihnachtsfilmen aller Zeiten" im Netz gesucht wird, ist es uns eigentlich nicht besonders wichtig, ob es sich bei der filmischen Weihnachtskugel um eine strahlend-glänzende oder eine matt-schmutzige handelt. Wir lieben es, Weihnachtsfilme zu konsumieren, egal, wie schlecht die Streifen eigentlich sind. Manchmal lieben wir sie dann sogar noch mehr (aktuelles Beispiel: "Falling for Christmas" mit Lindsay Lohan auf Netflix).

Da fragt man sich doch (wenn man im Weihnachtsstress überhaupt dazu kommt): Wieso eigentlich? 

Wieso lieben wir schlechte Weihnachtsfilme so sehr?

Lindsay Lohan in "Falling for Christmas" auf Netflix

Weihnachtsfilme stimmen auf das Fest der Liebe ein

Wir würden euch nun gerne eine tiefenpsychologische Abhandlung mit zahlreichen Jung-, Focault- und Freud-Zitaten liefern, aber die naheliegendste Antwort ist eigentlich recht simpel: Schlechte Weihnachtsfilme funktionieren trotz der fehlenden Qualität allen voran deshalb, weil sie uns auf Weihnachten einstimmen.

Das klingt banal, ist es in der Praxis aber nicht, weil zwischen Arbeit- und Freizeitstress, zwischen ständiger Selbstoptimierung und dem puren Überlebenswillen in einer krisengebeutelten Welt bleibt  die besinnliche und beseelte Stimmung schnell auf der Strecke – besonders dann, wenn man keine Kinder um sich hat, die einen mit leuchtenden Augen an die Magie der Weihnacht erinnern. Und der Pulverschnee sich wieder mal nicht blicken lässt.

Im Grunde funktioniert es mit Weihnachtsfilmen genauso wie mit Weihnachtssongs: Kaum erklingen die ersten Takte, können wir uns dem Serotonin-Anstieg in uns nicht verwehren. Müssen lächeln, zumindest ein bisserl. Wir Menschen sind am Ende eben auch nur Pawlow'sche Hunde.

Wieso lieben wir schlechte Weihnachtsfilme so sehr?

"Four Christmases" mit Reese Witherspoon und Vince Vaughn

Weihnachtsfilme schenken uns Sicherheit

Das bloße Aufkommen von Weihnachtsstimmung wäre aber zu kurz gegriffen, um die Faszination von sogar (grotten)schlechten Weihnachtsfilmen zu erklären. Wieso wir zum Beispiel auch bei "Mein Schatz, ihre Familie und ich" oder "Christmas Wedding Planer" am Bildschirm hängen bleiben, ist dann doch wieder ein wenig tiefenpsychologischer:

Weihnachtsfilme überraschen in der Regel nicht. Wir wissen, wie sie ausgehen, wir wissen, wo die Story hingeht, wir wissen, dass es so gut wie immer ein Happy End gibt. Keine Twists, keine offenen Enden, die einem schlaflose Nächte bereiten. Sie liefern das, was wir kennen – und genau das bietet Sicherheit, Zuversicht, das Gefühl von Kontrolle am Ende eines hektischen, ja vielleicht sehr herausfordernden Jahres. Nach zwölf Monaten Stress wollen wir uns einfach entspannen.

Ähnlich wie am Jahresende ist auch bei Weihnachtsfilmen der Weg das Ziel. Ein Ziel, das wir zumindest in der fiktionalen Welt ohne anstrengenden Kurven und Umwege erreichen. Weihnachtsfilme geben uns ein wohlig-warmes Gefühl wie ein heißer Glühwein oder eine Umarmung unterm Christbaum.

Wieso lieben wir schlechte Weihnachtsfilme so sehr?

Brooke Shields in "A Castle for Christmas" auf Netflix

Weihnachtsfilme bieten eine heile Welt 

Zudem – jetzt geht's wieder ein bisserl in na-no-na-ned-Gefilde – lieben wir Filme, die zur aktuellen Jahreszeit passen (Weihnachts-Serienepisoden im Sommer?! Na bitte ned!). Die unser Leben widerspiegeln, nur eben in überhöhter Form, ohne all die langweiligen Teile dazwischen. 

Weihnachtsfilme bieten uns zum Großteil genau das, was wir uns von dieser Jahreszeit – oder zumindest von der Weihnachtswoche – erhoffen: Friede, eine heile Welt, Liebe, Freunde und Familie. Sie sind das Winter-Pedant zu den Rosamunde-Pilcher-Filmen und den Familien-Sitcoms der 1990er: Kein Problem, das nicht innerhalb kürzester Zeit gelöst werden könnte. Keine Liebe, die sich nicht finden ließe. Kein Fest, das am Ende nicht doch gelingen würde. Und wenn mal doch nicht alles glatt gehen, dann freuen wir uns, dass es auch den schönen Menschen im Fernseher so geht wie uns selbst. Schadenfreude macht auch zu Weihnachten nicht Urlaub.

Hier ist das Gute noch gut und das Böse noch böse, Grautöne lassen wir gerne außen vor, viel zu kompliziert, wenn es um (eskapistische?) Besinnlichkeit geht. Wir hüllen uns in eine rosa Zuckerwatten-Welt ein, flüchten dorthin, wenn in der echten Welt leuchtende Pastelltöne allerhöchstens am Geschenkspapier existieren. Wenn wir nach Frieden suchen in der berühmten Jahreszeit des Friedens, dann werden spröde Aspekte wie Drehbuch, Kameraarbeit oder schauspielerische Leistungen obsolet. 

Weihnachtsfilme sind Kitsch deluxe, so süß wie der Weihnachtsstollen am Festtagstisch. Doch Weihnachten ohne Zuckerschock ist kein Weihnachten. 

Weihnachtsfilme erinnern uns daran, was wirklich wichtig ist

Halten wir also fest: Weihnachtsfilme, egal ob gut oder schlecht, mittelmäßig oder brillant, sind also garantierte Feel-Good-Lieferanten, die gerade so viel mit Dramatik, Selbstironie und Melancholie spielen, das es uns nicht zu eng ums Herz wird, wir aber gleichzeitig daran erinnert werden, worum es im Leben eigentlich wirklich geht. Den (ansonsten sehr nervigen) moralischen Zeigefinger nehmen wir in Weihnachtsfilmen gerne hin, denn wenn wir uns belehren lassen, wenn wir eine Erinnerung brauchen, welche Dinge wirklich von Bedeutung sind, dann zum Besuch des Christkinderls.

Also schnell zu Netflix, Disney+ oder dem Streaminganbieter deines Vertrauens schalten – und einmal im Jahr die Filmbewertungen genauso getrost ignorieren wie die Kalorien der Weihnachtskekserl ...

Wieso lieben wir schlechte Weihnachtsfilme so sehr?

Tim Allen in "Santa Clause 3"

10 schlechte Weihnachtsfilme:

  1. "Der Nussknacker" (2010)
  2. "Christmas Wedding Planner" (2017)
  3. "Blendende Weihnachten" (2006)
  4. "Santa Clause 3: Eine frostige Bescherung" (2006)
  5. "Mein Schatz, ihre Familie und ich" (2008)
  6. "Holiday Rush" (2019)
  7. "Santa Clause mit Muckis" (1996)
  8. "Grumpy Cat's Worst Christmas Ever" (2014)
  9. "Das perfekte Weihnachten" (2007)
  10. "Weihnachten auf der Mistelzweigfarm" (2022)