Oscars 2019: Kunst und Kommerz
Am 24.2 geht die Oscar-Verleihung bereits zum 91. Mal im legendären Dolby Theater über die Bühne. Die Preisverleihung zog jedes Jahr Millionen von Menschen weltweit vor die Fernsehbildschirme, doch die Zeiten haben sich geändert. Streaming- und Vod-Plattformen boomen und es scheint immer bessere Gründe zu brauchen, um die Zuseher in die Kinosäle zu locken. Die zwei besten Argumente dieses Jahres haben Alfonso Cuaron mit „Roma“ und Yorgos Lanthimos mit „The Favourite" geliefert. Wir haben die bevorstehende Verleihung zum Anlass genommen, um uns genauer mit dem Werdegang und den Einfluss der beiden Filmemacher zu befassen.
Mexikaner im Höhenflug
Hollywood steht für Glanz, Glamour und großes Kino, doch die gefeierten Regisseure der Traumfabrik kommen selten aus den eigenen Kaderschmieden. In den letzten zehn Jahren ging der Preis für die beste Regie lediglich zwei Mal an einen US-Amerikaner. Während Damien Chazelle 2017 mit "La la Land" die Academy als jüngster Preisträger aller Zeiten noch überzeugen konnte, liegt Katheryn Bigelows Erfolg mit "Hurt Locker“ bereits neun Jahre zurück. Zu den großen Abräumern zählten die Mexikaner mit Alfonso Cuaron ("Gravity"), Alejandro Inaritu("Birdman", "Revenant") und Guillermo del Toror ("The Shape of Water"), die das amerikanische Kino wie kaum andere vor ihnen prägten. Auch dieses Jahr dominiert das internationale Kino die Preisverleihung.
Autobiografisch
Alfonso Cuaron konnte mit „Roma“ bereits den goldenen Löwen in Venedig und den Bafta als bester Film gewinnen. In seinem schwarzweißen Drama geht er von autobiografischen Elementen aus und erzählt über das Leben seines damaligen Kindermädchens Cleo, die sich aufopfernd für die Kinder ihrer Arbeitsgeberin einsetzte. Nach 110 Drehtagen(!) ging Cuaron in der Postproduktion das Geld aus und Netflix sprang mit dem nötigen Kapital ein, um den Film fertigzustellen. Cuaron gehört zu den wenigen Regisseuren, die mehrmals zwischen Kunst- und Kommerzkino gewechselt haben. Das intime Roadmovie „Y tu mama tambien“ findet in seiner Filmografie ebenso seinen Platz wie „Harry Potter und der Gefangene von Azkaban“ oder „Gravity“. Mit „Roma“ besinnt sich der Mexikaner wieder auf seine Wurzeln und kehrt zum Arthauskino zurück. Umso überraschender wirkt der Erfolg, den er im Mainstream damit erzielt. Es ist selten, dass ein so ruhiger und nuancierter Film wie "Roma" seinen Platz im Scheinwerferlicht der US-Filmindustrie findet.
Greek weird Wave
Der andere zu großer Aufmerksamkeit gelangte Filmemacher dieses Jahr ist Yorgos Lanthimos. Der griechische Regisseur ist mit seiner Historienkomödie „The Favourite“ für zehn Oscars nominiert und zählt neben Cuaron als größter Favorit für den Regiepreis. Lanthimos begann seine Karriere als Werbe- und Theaterregisseur in Griechenland. Sein erster großer Erfolg war das 250.000 Euro teure Kammerspiel „Dogtooth“, das überraschenderweise sogar für einen Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert wurde. Die Geschichte über eine Familie, die abgeschottet vom Rest der Welt lebt, erlangte viel Zuspruch bei Kritikern und machte Lanthimos schnell zu einem der gefragtesten Talente des europäischen Kinos. Er diente als Vorreiter der „Greek weird Wave“, die sich vor allem durch eigenartige Figurenkonstellationen und schwarzen Humor auszeichnet.
Neue Wege
Seit 2015 lebt Lanthimos in London und bedient sich englischsprachiger Darsteller, dennoch blieb er seinem Stil treu, wurde stellenweise sogar redundant. „The Favourite“ markiert in vielerlei Hinsicht ein neues Kapitel in der Karriere des griechischen Regisseurs. Die Kamera ist beweglicher, der Humor zugänglicher und das Budget größer. Die Historienkomödie gehört definitv nicht zu seinen besten Werken, aber trifft durch die Figurenkonstellationen den Zeitgeist und konnte weltweit bereits knapp 70 Millionen Dollar einspielen.
Chance
Dieses Jahr gingen die Zuseherzahlen in österreichischen Kinos um 10% zurück, klare Gründe dafür sind noch nicht festzumachen, einer dieser Gründe könnte jedoch die mangelnde Balance zwischen Kunst und Kommerz im US-Kino sein. Hatten wir noch letztes Jahr Publikumsmagneten wie „Dunkirk“, „Three Billboards outside Ebbing Missouri“, „Der seidene Faden“ oder „Get out“, gibt es dieses Jahr kaum anspruchsvolle Hollywoodproduktionen, die sich Chancen auf eine goldene Trophäe ausmalen können. Die Tatsache, dass eine Schnulze wie „A Star is born“ acht Nominierungen erhält, spricht dabei schon Bände. Es bleibt zu hoffen, dass sich europäische Filmemacher diese Leerstelle zu nutzen machen können.