20 Jahre "O.C. California": Ist die Kultserie gut gealtert?
2003 (Kinder, 20 Jahre ist's schon her!) war ein gutes Jahr für die Popkultur: Ein Clownfisch suchte nach seinem Sohn Nemo im unendlichen Meer, Quentin Tarantino sorgte mit "Kill Bill, Vol. 1" für blutige Aufregung, mit "Die Rückkehr des Königs" fand die Fantasy-Reihe "Herr der Ringe" ihren episch-würdigen Abschluss, während Johnny Depp als Captain Sparrow in "Fluch der Karibik" erst loslegte. Ach ja, "Tatsächlich ... Liebe" kam auch in die Kinos – und veränderte unser aller Weihnachten (und unsere Vorstellung von Romantik) für immer.
Im Radio (ja, das hörte man damals noch!) regierten Christina Aguilera, Kelly Clarkson, Justin Timberlake, Eminem, Beyonce und The Black Eyed Peas ("Where is the Love?" – ja, wo ist sie denn wirklich?!) die Charts.
Und was tat sich in der Serienlandschaft? Die trauerte um das Ende von "Buffy the Vampire Slayer", der Hype um "Gilmore Girls" war auf seinem Höhepunkt angelangt – und "O.C. California" (OT: "The OC") startete. Jene Kultserie, die das Genre des Teen-Dramas drei Jahre nach dem Finale von "Beverly Hills, 90210" quasi im Alleingang wiederbelebte. Für alle, die es nicht (mehr?) wissen: Die Serie handelt von einer jugendlichen Clique und deren Eltern im kalifornischen Schickimicki-Bezirk Orange County.
Alles an "O.C. California" war Kult: Die hippen Jung-Darsteller:innen, der moderne Soundtrack inklusive Ohrwurm-Titelsong von Phantom Planet, die trendigen Klamotten und natürlich die spannenden Storylines, die mit zahlreichen Twists, viel Herzschmerz und vor allem bis dahin unbekanntem rasanten Erzähltempo aufwarteten: Besonders in Staffel 1 passiert so viel wie in anderen Serien in fünf Jahren. Und mit Seth Cohen bekamen wir einen liebenswürdig-sexy Nerd geschenkt, lang, bevor Sheldon Cooper und Freund:innen in unser Leben traten.
Das war 2003. Aber wie schlägt sich die Serie durch die 2023er-Linse? Ist "O.C. California" gut gealtert?
First-World-Problems
Die Zwischen-den-Zeilen-Message, die eigentlich eh eine Holzhammer-Auf-den-Zeilen-Message war, ist natürlich auch nach 20 Jahren mehr als ersichtlich: Vordergründig geht's nicht um First-World-Problems durchwegs hochattraktiver (Weißer) Menschen, sondern um die Schere zwischen Arm und Reich sowie die Unterschiede der sozialen Klassen.
Gemeinsam mit Bad-Boy-mit-goldenem-Herzen Ryan (Ben McKenzie, der später in "Gotham" für Recht und Ordnung sorgte und immerhin mit nur einem einzigen Gesichtsausdruck eine zweite Hitserie landete) lernen wir bereits in der Pilotepisode, dass nicht alles Gold ist, was glänzt und dass sich hinter den Kulissen von Glamour und Reichtum Menschen aus Fleisch und Blut genauso durchs Leben kämpfen – mit dem Unterschied, dass O.C. mit mehr Intrigen, Skandalen und Schicksalen aufwartet als ein kleinstädtischer Nachbarsort ...
Heute wissen wir aber: Die Gesellschaftskritik á la "The O.C." bewegt sich schamlos im Meer (das von den Charakteren übrigens, mit wenigen Ausnahmen, konsequent ignoriert wird) der Oberflächlichkeit, die Analyse der verschiedenen Sozialschichten, die uns als Jugendliche so sehr fasziniert und zum Nachdenken angeregt hat, entpuppt sich bei der Rückkehr nach Orange County eben doch als First-World-Problems – und die sind im Grunde nicht mal für den Großteil der First-World-Bewohner:innen nachvollziehbar, denn erstens sind nur wenige so reich wie die O.C.-Bewohner:innen. Und zudem sind all die Dramen, all der Herzschmerz, all die Skandale in der Serie von den Charakteren eigentlich nix anderes als hausgemacht und wären mit ein Fünkchen Hausverstand problemlos lösbar. Vielleicht waren wir damals auch einfach viel zu leicht zu beeindrucken.
Marissa nervt, Seth lieben wir immer noch
Beeindruckt waren wir jungen Zuseher:innen auch vom Royal Couple Ryan und Marissa (Mischa Barton), deren Beziehung 20 Jahre später derart leidenschaftslos und erzwungen daherkommt, dass man sich unweigerlich fragt, ob wir uns von den blütenweißen Feinripp-Shirts und der glänzenden Haarpracht blenden haben lassen. Inzwischen haben Charaktere in Serien gelernt, zu reflektieren und sich aktiv aus der Opferrolle zu befreien. Marissa war damals davon noch weit entfernt: wie sehr sie in Selbstmitleid badet und jede Baustelle ihres Lebens mit Pauken und Trompeten in einen Trümmerhaufen verwandelt, ist eigentlich schon bemerkenswert, wenn es nicht so extrem nervig wäre.
Umso besser kommt allerdings Seth Cohen (Adam Brody) weg – nicht nur damals schon, sondern auch heute, Nostalgie hin oder her. Cohen brachte uns Indie-Musik näher und lehrte uns, dass es nicht nur okay, sondern sogar saucool ist, ein Nerd zu sein, womit er der Vorreiter für Sheldon, Leonard und Co. war und somit seiner Zeit weit voraus. Das enthusiastische, stets selbstironische Spiel von Brody hat auch 20 Jahre später nichts von seinem Charme, Esprit und seiner Liebenswürdigkeit verloren, was ihn mit Abstand zum besten Darsteller der Serie – und zum mittlerweile beliebten Meme – macht. Weil alle Teens der Serie in Wirklichkeit eh keine Teens waren, dürfen wir zudem ohne schlechtes Gewissen Seth Cohen auch heute noch verdammt sexy finden.
Heute fast schon handzahm
Ja, so manche Running Gags der Serie mögen heute nicht mehr zum selben Endorphinfeuerwerk als noch vor zwei Jahrzehnten führen, die Lesben-Storyline (mit einer punkigen Olivia Wilde!) von Marissa ist mit ärgerlichen Klischees beladen und bedient ganz und gar "Zwei-sexy-Girls-küssen-sich-für-die-Quote"-Schiene, all die Twists und Cliffhanger mögen haarsträubend sein und so richtig ernst nehmen kann man diese Hochglanz-Welt heute auch nicht mehr.
Vor allem, weil sich in den vergangenen 20 Jahren die Serienlandschaft grundlegend verändert hat, Inklusion und Diversity – beides in "O.C. California" schmerzlich vermisst – sind da nur zwei schlagende Stichwörter. Serien stehen heutzutage Kinofilmen qualitativ um nichts mehr nach, es werden am laufenden Band Tabus gebrochen und Grenzen überschritten. "O.C. California" mutet da aus heutiger Sicht beinahe handzahm an, auch wenn einige Szenen (Finale dritte Staffel!) durchaus immer noch für Schockmomente sorgen.
Allgemein wirkt die Serie fast schon spielerisch übertrieben und so wenig subtil, dass der fesselnde Sog von damals teils einem harmlosen Herbstlüfterl weicht. An dem man sich aber nach der manchmal anstrengenden Dauerhitze des Sommers durchaus erfreut.
Serien-Pendant zum Big Mac
Und trotzdem ist "O.C. California" besser gealtert als viele anderen Teenserien-Pendants. Der Soundtrack (unter anderem von Bands wie Death Cab for Cutie oder The Killers) ist immer noch verdammt gut, die Charaktere weisen nach wie vor einen großen Wiedererkennungswert auf und der rasante Erzählstil setzte einen Trend, der viele Nachfolgeserien (bis heute) geprägt hat. Und auch die hoch angepriesene Teen-Kultur in der Serie hat sich als nachhaltig erwiesen. Seth, Ryan und Co. wussten also durchaus, wo's lang geht. Vielleicht nicht im Leben, durchaus aber in der Popkultur.
Ohne "O.C. California" wären nachfolgende Gassenhauer wie "Gossip Girl" oder sogar "Vampire Diaries" nicht möglich gewesen, sie ist die Blaupause für alle modernen Teenie-Serien. Der heutige Unterhaltungswert ist irgendwo zwischen Cringe- und Suchtfaktor angesiedelt, der moralische Zeigefinger hält sich angenehm in Grenzen und die Zurschaustellung menschlichen Unvermögens ist derart überhöht, dass es das Endprodukt zwar nicht ernstzunehmender, aber auf skurrile Weise doch liebenswerter macht.
Insgesamt erinnert "O.C. California" 20 Jahre danach an einen Big Mac: sieht zwar verlockend gut aus und schmeckt auch nicht schlecht, aber der Nährwert ist doch sehr gering. Zwischendurch ist's aber durchaus ok – und erinnert uns an Zeiten, als wir noch nicht jedes Produkt fast schon panisch nach deren Inhaltsangaben untersuchten. An gedankenlose, aber irgendwie auch befreiende Zeiten.
Wo kann man "O.C. California" streamen?
Alle vier Staffeln von "O.C. California" kannst du kostenlos auf Freevee (Prime Video) streamen. Hier geht's zur Serie!
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