MCU: 4 Gründe, wieso Marvel-Filme schlechter sind, als du denkst

Benedict Cumberbatch als Doctor Strange
Immer mehr Stars dissen das Marvel Cinematic Universe. Haben sie vielleicht sogar Recht? Ein Analyseversuch.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Und dass Erfolg nicht zwingend etwas mit Qualität zu tun hat (und umgekehrt), ist wohl auch ein alter Hut. Seit eineinhalb Jahrzehnten bereits (Kinder, wie die Zeit vergeht!) dominieren die Marvel Studios – in der Öffentlichkeit besser bekannt als das MCU – die Kinoleinwände.

Man könnte auch sagen: Marvel erhält das Kino am Leben, daneben hat nicht mehr viel Platz. Leise Beziehungsdramen und selbst packende Psychothriller schauen wir uns zuhause am Streaming-Bildschirm an, aber für die bildgewaltigen und gigantischen SuperheldInnen-Abenteuer raffen wir uns noch auf, ins (kostspielige) Kino zu gehen.

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Alles fing mit Scorsese an

MCU ist für die Generation Z das neue Star Wars. Die neuen Sagen, Mythen, Fabeln. Das ist okay so, HeldInnen erzählen schließlich stets von zeitlosen Themen wie Mut, Freundschaft, Vertrauen, Liebe, Selbstfindung und Familie – egal ob sie im All herumkurven, mit dem Laserschwert herumfucheln oder im Olymp Fehden austragen.

Trotzdem werden immer wieder und vor allem in letzter Zeit kritische Stimmen gegenüber dem MCU laut. Gefühlt angefangen hat der Marvel-Diss mit Regisseur Martin Scorsese, der 2019 öffentlich in einem Interview mit "Variety" zu Protokoll gab, dass MCU-Filme "keine Kinofilme" seien. "Ehrlich gesagt, am ehesten kommen mir Themenparks in den Sinn, so gut sie auch sind, mit SchauspielerInnen, die unter den gegebenen Umständen ihr Bestes geben", so der Star-Regisseur. "Es ist nicht jene Art von Kino, das versucht, einem emotionale, psychologische Erfahrungen zu vermitteln.“

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Das MCU ist echt nicht so toll

In den kommenden Monaten und Jahren schlossen sich andere Stars wie Jodie Foster, Edward Norton, Mel Gibson, James Cameron oder Mickey Rourke (einige davon spielten sogar selbst in Marvel-Filmen mit!) der Meinung von Scorsese an – einen guten Überblick darüber liefern die KollegInnen von "JustJared".

Comedian und Moderator Bill Maher kritisierte nicht nur die (angeblich?) oberflächliche Machart der MCU-Filme, sondern die übergeordnet psychologische Message dieser Streifen: "SuperheldInnen-Filme prägen die Denkweise, dass wir nicht Meister unseres eigenen Schicksals sind. Das Beste, was wir tun können, ist, uns zurückzulehnen und darauf zu warten, dass Star-Lord und ein Waschbär kommen und unsere jämmerlichen Ärsche retten.“

Nun könnte man sagen: Okay, die meisten der kritisierenden SchauspielerInnen und RegisseurInnen sind aus einer anderen Generation, sind mit einer anderen Art von Filmen aufgewachsen. Aber haben sie vielleicht nicht doch Recht?

Wir haben versucht, uns vom alles überstrahlenden Marvel-Glanz nicht blenden zu lassen, sind einen Schritt zurückgegangen und uns gefragt: Ist das MCU tatsächlich das Maß aller (Kino-)Dinge, der Weisheit letzter Schluss? Sind die Filme tatsächlich so gut, wie sie es uns glauben lassen wollen? Wir haben vier Gründe gefunden, die dagegen sprechen.

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1. Der Lady-Gaga-Effekt

Bevor gleich die gesamte Welt auf die Barrikaden steigt: Nein, wir haben nix gegen die Gaga. Sie ist großes Entertainment, durchaus auch mit Empowerment-Message aufgepimpt. Genauso wie das MCU. Aber bei aller Liebe und Unterhaltung muss man auch ehrlich sagen: Der Hype ist stets größer als das Endprodukt, der Inhalt selbst. Das verpackte Geschenk lässt dank roter Schleifchen, Rüscherl und vielen bunten, blinkenden Sternderl auf mehr hoffen, als wir dann tatsächlich präsentiert bekommen.

Ja, Marvel-Filme sind Event-Filme. Meist kurzweilig und recht gut verdaulich. Der Schauwert passt auch, ist zum Großteil sogar gigantisch. Aber nehmen wir all das CGI-Getöse, all den bunten Bilderrausch, all die Cameos und auch all die Fantheorien inklusive gefühlt tausend Trailern im Vorfeld zum Kinostart weg: Was bleibt dann wirklich übrig? Oft (nicht immer!) eine sehr dünne Story, die auf einen Bierdeckel passt und letztlich ziemlich generisch daherkommt. Und die Emotionen für billige Jokes opfert. 

Das war zuletzt bei "Spider-Man: No Way Home" genauso wie bei "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" oder "Moon Knight". Kein dramaturgischer Reinfall, aber weit weg von wirklich überraschenden und innovativen, psychologisch nachhallenden Storyplots. Plots, die zudem immer derselben – voraussehbaren – Formel folgen.

Geld wird zwar bei Marvel keines verschenkt, Potenzial aber oftmals durchaus. Vor allem ist das MCU bei weitem nicht so klug und innovativ, originell und einfallsreich, wie es gerne tut (und selbst überzeugt davon ist). Wir hätten uns schon so oft so viel mehr erwartet, weil der Hype immer auf so viel Größeres schließen ließ. 

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2. Größer als groß geht nicht 

Zugegeben: Nicht nur das MCU, sondern jedes Franchise (seien es Filme, Serien, Comics oder Romane) haben dasselbe Problem: Es muss sich mit der Zeit immer wieder neu übertreffen, im besten Falle immer wieder neu erfinden. Letzteres gelingt dem MCU gar nicht so schlecht, weil sich jeder Film in seiner Tonalität vom Vorgänger unterscheidet und der/die RegisseurIn ihm seinen/ihren Stempel aufdrücken darf. Kudos dafür.

Aber ein Mega-Event-Kino, ein Popkultur-Spektakel wie das MCU muss mit jedem Produkt immer spektakulärer, immer fulminanter werden. Aber größer als groß geht eben irgendwann nicht mehr, bei dieser Gleichung gilt eher das Ergebnis: "absurd" und "überladen". In der Praxis kommt dann ein ermüdendes, überforderndes und abstumpfend wirkendes CGI-Synapsen-Gewitter heraus, das im schlechtesten Fall dramaturgisch gar keinen Sinn mehr macht und nur noch auf visuelle Überwältigung setzt. Das Bild steht über dem gesprochenen Wort. Und auch all die Cameos verkommen mehr und mehr zum anbiedernden Fanservice.

Das mag gut für die große Leinwand sein, aber irgendwann setzt ein Gewöhnungseffekt ein. "Doctor Strange 2" ist bereits nahe dran, diese Grenze zu überschreiten.

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3. Schwer verständlicher Fortsetzungsroman

Das MCU hat ein zusammenhängendes Universum erschaffen, das man in dieser Art seit "Star Wars" nicht mehr gesehen hat. Das ist bemerkenswert, schafft eine große Verbindung zu den Fans und ist somit eine kongeniale Marketing-Strategie: Man muss auch die Vorgänger gesehen haben, damit man den aktuellen Streifen (zumindest bis ins kleinste Detail) versteht.

Und genau hier ist auch der Haken, wieder gut zu sehen bei "Doctor Strange in the Multiverse of Madness": Das MCU ist mittlerweile an einem Punkt eines Fortsetzungsromans angelangt, das sich beinahe nur noch an Marvel-InsiderInnen richtet. NeueinsteigerInnen haben große Mühe, durchzublicken und zu verstehen, was da auf der Leinwand eigentlich abgeht.

Bis zu einem gewissen Grad mag das für alle Sequels stimmen, aber das MCU ist derart verzweigt, arbeitet derart stark mit Querverweisen, Hommagen und Easter Eggs, dass man manchmal gut beraten wäre, beim Kinobesuch ein Marvel-Lexikon dabei zu haben. Oder sich eben die Vorgänger vorher reinzuziehen. Aber wollen wir wirklich ein Filmvergnügen mit Hausaufgaben verbinden?

Unsere Prognose: Früher oder später wird man dem zusammenhängenden Universum überdrüssig werden und statt Vorfreude wird Genervtheit einem neuen MCU-Film begleiten. Was muss ich mir DIESES MAL alles in Erinnerung rufen?! Wie immer bei Trends wird sich ein Gegen-Trend bilden und für sich stehende Einzelfilme werden wieder gefragt sein. Vielleicht schlägt dann die große Stunde für DC ...

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„Eternals“

4. Phase IV

Die vierte Phase war bis auf wenige Ausnahmen ("WandaVision", "Spider-Man: No Way Home") eher enttäuschend, nicht nur für KritikerInnen, auch für Fans. "Moon Knight" versäumte es, eine Bindung zum Publikum herzustellen, "Hawkeye" war schlicht langweilig, "Black Widow" hätte mehr verdient und "Eternals" gilt gar als einer der schlechtesten Marvel-Filme seit Beginn des MCU. 

Bei den Kinokassen ist zwar noch kein Negativtrend zu beobachten, bei der Qualität aber durchaus. Bleibt abzuwarten, ob man die Hoch-Zeit von Phase III erneut erreichen wird – oder ob bald tatsächlich ein MCU-Diss das Netz beherrschen wird ...

 

 

"Doctor Strange in the Multiverse of Madness" läuft derzeit in unseren Kinos. Hier geht's zu den Spielzeiten!