"Love Couples": Wie zeitgemäß ist der "schwule beste Freund"?
"Wer weiß am besten, wer zu mir passt? Natürlich mein schwuler bester Freund", heißt es in der Aussendung zu "Love Couples – Mein Date, mein bester Freund und ich", einer neuen Kuppel-Show auf SAT.1.
Der ursprüngliche Titel, im dem noch explizit vom schwulen besten Freund die Rede war, wurde leicht abgeändert, der Inhalt jedoch bleibt derselbe: Acht Hetero-Frauen suchen auf Teneriffa nach ihrem Traummann – unterstützt werden sie dabei von ihren besten Freunden, die zufällig alle schwul sind.
Der schwule beste Freund war lange Zeit eine bekannte Schablone in Film und Fernsehen – und ist es bis heute. Von Stanford in "Sex and the City" über Elijah in "Girls" bis hin zu Titus in "Unbreakable Kimmy Schmidt" oder Eric in "Sex Education": Sie alle sind schwule Männer, treten in irgendeiner Art und Weise extravagant auf, haben oft einen Sinn für Mode und fallen durch ihre witzigen Sprüche auf. Vor allem aber sind sie eines: Nebenfiguren, die einer Hetero-Hauptrolle beigestellt werden.
Mag sein, dass die Rolle "Gay Best Friend", kurz GBF, einst eine positive Entwicklung im Bezug auf queere Sichtbarkeit darstellte – am Ende ist jede Form von Repräsentation immer noch Repräsentation –, im Jahre 2021 scheint die Figur jedoch einfach nicht mehr zeitgemäß. Vor allem deshalb, weil sie schwule Männer einengt.
Der GBF als Auslöser für "Side Character Syndrome"
Vor Kurzem war im Internet mal wieder von einem neuen Pseudo-Phänomen die Rede, das sich via TikTok auf Social Media ausbreitet: "Main Character Syndrome" – das Verhalten einer Person, die sich selbst als Hauptfigur ihres eigenen Lebens begreift. Klingt zunächst nach Narzissmus, könnte aber auch reine Selbstliebe ein. Beides wird dieser Tage vielerorts großgeschrieben.
Dementsprechend viele Menschen scheinen sich wohl auch mit "Main Character Energy" identifizieren zu können: Auf TikTok wurden die Videos unter dem Hashtag #maincharacter inzwischen bereits über fünf Milliarden Mal angesehen. Wie sich herausstellt, nehmen sich wohl die meisten Menschen selbst als Hauptfigur in der Show ihres Lebens wahr – richtigerweise.
Für mich selbst galt das jedoch lange Zeit nicht. Als schwuler Millennial gab es nicht viele Rollen im Fernsehen, in denen ich mich selbst wiederfinden konnte – die wenigen, die es gab, hatten eine Sache gemeinsam: Sie waren Nebenfiguren.
Ein Arbeitskollege, ein Mitbewohner, ein Anhängsel, ein Accessoire – ein schwuler bester Freund. Seine Story ist nie der zentrale Punkt der Handlung. Er hat selten eine eigene Geschichte, existiert nie für sich allein, sondern immer nur in Relation zu einer heterosexuellen, meist weiblichen Hauptrolle. Er existiert einzig und allein dafür, um eine Aufgabe im Leben der Leitfigur zu erfüllen.
Folgerichtig bewege ich mich selbst eher in der "Side Character Syndrome"-Ecke von TikTok. Weil mir die meiste Zeit meines Lebens beigebracht wurde, dass jemand wie ich im Fernsehen zwar durchaus existieren kann, dabei aber niemals die tragende Rolle übernimmt.
Umso bahnbrechender sind Serien und Filme wie "Pose", "Ein besonderes Leben" oder "Love, Simon", in denen queere Charaktere nicht mehr nur als lustige Sidekicks in Erscheinung treten, sondern erstmals im Mittelpunkt der Handlung stehen. Plötzlich sind schwule Männer mehr als nur eindimensionale Figuren im Leben einer Hetero-Frau – plötzlich haben sie ein eigenes Leben.
Dass homosexuelle Männer auch in Dating-Shows die Hauptrolle übernehmen können und sollten, wurde im letzten Jahr bereits mit "Prince Charming" bewiesen. Die erste schwule Kuppelshow im deutschsprachigen Fernsehen war jedoch zunächst nur im kostenpflichtigen Abo des Streamingdienstes TVNOW enthalten, erst Monate später strahlte VOX die Show doch noch im Fernsehen aus – nach 22 Uhr, wie ein echtes Nischenprodukt eben. "Love Couples – Mein Date, mein bester Freund und ich" startet am 5. Juli zur besten Sendezeit im Free TV.