Frauen so selten Hauptrolle in Film wie seit Jahrzehnt nicht mehr
"Barbie" ist ein paradoxes Beispiel für Feminismus, Frauenrollen und Sexismus. Einerseits hat der Hollywood-Film durch die satirische Behandlung von ebenjenen Themen eine Feminismusdebatte ausgelöst, einen sehr, sehr hohen Frauenanteil und hat – nicht zu vergessen – einen so großen Hype ausgelöst, dass "Barbie" schließlich zum erfolgreichsten Film 2023 wurde.
Andererseits hat "Barbie" der ganzen Welt nochmal vor Augen geführt, wie selbst ein so erfolgreicher und feministischer Film Opfer von Sexismus werden kann. Bei den Oscars 2024 wurde "Barbie" zwar für den "besten Film" nominiert, doch in den Kategorien "beste Regie" und "beste Hauptdarstellerin" gingen Greta Gerwig und Margot Robbie leer aus – und ausgerechnet der Mann des Films, Ryan Gosling, wurde für den Goldjungen in Betracht gezogen (Natürlich berechtigt, aber trotzdem ...). Überaus ironisch, oder? Und auch bitter!
Bei solchen Phänomenen wundert es nicht weiter, dass Greta Gerwigs Meisterwerk nur die Spitze des sexistischen Eisberges ist. So lässt die Traumfabrik meistens nur für Männer den Traum wahr werden, wie die Annenberg Inclusion Initiative der University of Southern California laut "The Hollywood Reporter" in ihrer Recherche herausgefunden hat.
Status Quo: Von Gleichberechtigung keine Spur
Die Initiative deckte auf, dass nur 30 Prozent der 100 erfolgreichsten Filme von 2023 eine weibliche Haupt- oder Co-Hauptrolle hatten. Das ist der niedrigste Anteil seit einem Jahrzehnt und ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Rekordhoch von 44 Prozent im Jahr 2022.
Seit 2007 erhebt die Annenberg Inclusion Initiative die Daten. In dem Jahr war mit 20 Prozent der niedrigste Prozentsatz an Hauptdarstellerinnen aller Zeiten verzeichnet worden.
Altersdiskriminierung in Hollywood
Nicht nur, dass Frauen im Allgemeinen in Hollywood nicht gleichberechtigt sind, für Frauen ab dem mittleren Alter sieht es noch viel schlechter aus. So gab es nur in drei Filmen Haupt- oder Co-Hauptdarstellerinnen, die 45 Jahre oder älter waren: "Cocaine Bear" (Keri Russell), "My Big Fat Greek Wedding 3" (Nia Vardalos) und "Magic Mike's Last Dance" (Salma Hayek) – wobei man hier wissen muss, dass die Annenberg Inclusion Initiative keine reinen Ensemblefilme wie zum Beispiel "Book Club: Ein neues Kapitel" mit einschlossen.
Den drei Filmen mit weiblichen Hauptrollen stehen zehnmal so viele Filme mit Männern dieser Altersgruppe gegenüber: 32. 24 davon hatten weiße Männer in den Hauptrollen – eine Zahl, die auf einen ganz anderen Missstand hinweist: die Unterrepräsentierung von BIPoC (Black Indigenous People of Color).
Bei BIPoC sieht es noch schlechter aus
Insgesamt standen in 14 Filmen BIPoC-Frauen im Mittelpunkt. Von den insgesamt 37 BIPoC Haupt- oder Nebendarsteller:innen im Jahr 2023 (gegenüber 31 im Jahr 2022) waren 15 Schwarze, zehn waren multiethnisch oder wurden als "andere" kategorisiert, neun waren Asiat:innen, drei waren Hispanics oder Latinos und eine:r war aus dem Nahen Osten/Nordafrika.
Da scheinen auch die neuen Oscar-Regeln für mehr Diversität in Hollywood nichts gebracht zu haben. Auch hier besteht noch Nachholbedarf, wie die Hauptautorin der Arbeit, Katherine Neff, in einem Statement zum Ausdruck bringt:
"Die Filmindustrie setzt sich weiterhin nicht für Mädchen und Frauen ein, und der Rückzieher bei den Fortschritten für BIPoC-Frauen in Hauptrollen ist enttäuschend. Das gilt nicht nur für junge BIPoC-Frauen, sondern auch für unterrepräsentierte Frauen im mittleren Alter und älter, deren Geschichten oft völlig ausgelöscht werden."
Frauen hatten seltener Hauptrollen in Filmen von großen Studios
Disney und Warner Bros. bilden die Ausnahmen der Regel: So war der Mickey Maus-Konzern unter den großen Studios der Spitzenreiter bei Filmen mit weiblichen und BIPoC-Hauptrollen, wobei fast die Hälfte der Filme (41,61 %) eine Hauptdarstellerin enthielt. Disney und Warner Bros. hatten den gleichen Anteil an Veröffentlichungen mit einer BIPoC-Hauptfigur (38,5 Prozent), aber im Gegensatz dazu standen in mehr als der Hälfte (56,5 Prozent) der Filme von kleineren Verleihern (wie A24) Charaktere mit historisch ausgeschlossenem Hintergrund im Mittelpunkt.
"Bemerkenswert ist, dass der Anstieg der unterrepräsentierten Hauptdarsteller:innen nicht auf die Inhalte der großen Studios zurückzuführen ist", so Stacy L. Smith, die Gründerin der Annenberg Inclusion Initiative.
"Es waren Filme von kleineren Verleihern und internationale Filme, die für den Aufschwung verantwortlich waren, den wir im Jahr 2023 festgestellt haben. Dieses Jahr sollte die Verpflichtungen widerspiegeln, die die großen Studios nach der Ermordung von George Floyd eingegangen sind, aber sie sind nicht die Orte, die für den Vorstoß zu mehr Inklusion verantwortlich sind."
Die Folgen? Weniger Karrieremöglichkeiten für Frauen
"Dies ist ein katastrophaler Rückschritt für Mädchen und Frauen im Film", sagte Smith in einer Erklärung. "Diese Zahlen sind mehr als nur ein Maßstab dafür, wie oft Mädchen und Frauen in Hauptrollen zu sehen sind. Sie stehen für die Karrierechancen, die Frauen in der Branche geboten werden. [...] Selbst wenn wir uns die Filme ansehen, die wegen des Streiks auf 2024 verschoben wurden, können wir den Einbruch der weiblichen Haupt- und Nebenrollen im Jahr 2023 nicht anders erklären, als dass dies ein Versagen der Branche ist."