Die Brüder Dardenne: Belgische Meisterwerke im Stadtkino Wien
In seiner 125 jährigen Geschichte hat das Kino zahlreiche Epochen durchlaufen. Vom poetischen Realismus der 30er Jahre, dem italienischen Neorealismus der Nachkriegszeit, der französischen Nouvelle Vague in den 60ern bis hin zur Dogma Bewegung in den 90ern, bekam das filmische Erzählen ständig neue Impulse. Immer wieder kamen dabei Filmemacher zum Vorschein, die mit ihrer einzigartigen Handschrift große Klassiker hervorgebracht haben. Tarkovsky, Bergman und Bresson sind Namen, die diese Kunstform immer begleiten werden. Die Anzahl an zeitgenössischen Filmemachern, die mit den großen Ikonen mithalten können ist zwar rar, aber es gibt sie. Die belgischen Brüder Dardenne tauchten Ende der 90er auf der internationalen Filmbühne auf und haben bereits zu ihren Lebzeiten eine ganze Generation an Regisseuren beeinflusst.
Startschwierigkeiten
Jean Pierre und Luc Dardenne wurden 1951 und 1954 in der belgischen Provinz Lüttich geboren und machten ihre ersten filmischen Gehversuche Mitte der 70er Jahre. Ihr Fokus lag auf Dokumentationen über die Arbeiterklasse, in denen sie soziale Ungerechtigkeiten und Rassismus anprangerten. Nach über 60 Dokumentarfilmen realisierten sie 1987 mit „Falsch“ ihren ersten Spielfilm. Die surrealistische Romanverfilmung wird bis heute von den Brüdern Steifmütterlich behandelt, da sie äußerst skurril und im krassen Kontrast zu ihrem restlichen Oevre steht. Der große Durchbruch gelang ihnen 1999 mit dem Sozialdrama "Rosetta“, für den sie die Goldene Palme in Cannes erhielten. Seitdem werden sie weltweit als Autorenduo gefeiert und ihre Werke kommen immer wieder im Schulunterricht zum Einsatz.
Politisch
Die Spielfilme der Dardennes konzentrieren sich, wie schon ihre Dokus, auf die Probleme der Arbeiterschicht. Sozialpolitische Errungenschaften werden vehement verfochten und die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse im Kapitalismus aufgezeigt. Auch wenn die Regisseure nicht gerade durch ihre Themenvielfalt brillieren, schaffen sie es immer wieder neue Aspekte der gleichen Problemstellungen herauszuarbeiten. Beinahe alle ihre Filme wurden auf den Filmfestspielen von Cannes ausgezeichnet, unter anderem erhielten sie sogar zwei Mal die Goldene Palme, eine Ehre die nur acht Regisseuren der Filmgeschichte zu teil wurde.
Stilsicher
Das einzigartige an ihren Filmen ist jedoch nicht ihr Umgang mit sozialen Herausforderungen, sondern die Art und weise wie sie ihre Geschichten erzählen. Die Dardennes haben den Umgang mit der Handkamera revolutioniert. Obwohl das Geschehen so wirkt als wäre es dokumentarisch aufgenommen, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass jede ihrer Einstellungen minutiös durchgetaktet sind. Fast jede Szene ist eine Plansequenz und die bevorzugte Erzählweise ist der Tracking-Shot, bei dem die Kamera die Hauptfigur von hinten verfolgt. In Schlüsselszenen führt das oft dazu, dass man nicht den Gesichtsausdruck der Figur zu sehen bekommt, sondern das Umfeld auf das sie reagieren muss im Fokus steht. Körperliche Aktionen stehen dabei stark im Vordergrund. Anstatt endlos über ihre inneren Konflikte zu reden, handeln die Figuren bei den Dardennes aus Impulsen heraus, die sie oft in weitere Konflikte stürzen.
Meisterwerke in Wien
Zum Kinostart ihres neuen Films "Le jeune Ahmed“ trumpft das Stadtkino im Künstlerhaus mit einer Retrospektive auf. Zwischen 11. Und 24. September werden die zahlreichen Meisterwerke der Brüder im Stadtkino Wien gezeigt. Zur Premiere von "Le jeune Ahmed“ am 18.9 wird das Regie-Duo live per Video in den Kinosaal zugeschalten. Wer sich einen Überblick über die besten europäischen Filme des 21. Jahrhunderts verschaffen will, sollte diese Gelegenheit auf keinen Fall verpassen. Mehr Infos zum Programm findet ihr HIER.