Die 10 Top-Netflix-Serien 2020 und 1 totaler Flop
Netflix lässt auch in diesem Jahr nicht locker. Mit Hochdruck sorgt der Streaming-Gigant für Serien-Nachschub und lässt dabei Konkurrent Amazon Prime Video vor allem bei der Quantität ziemlich alt aussehen. Bei Amazon Prime Video tun wir uns heuer schwer, eine Top-10-Liste der besten Serien mit würdigen Kandidaten zu füllen. Daher haben wir lieber eine Top-12-Liste aller Nicht-Netflix-Serien im bisherigen Jahr 2020 gemacht:
Bei Netflix-Serien ist die Auswahl hingegen so groß, dass wir gute Top-10-Kandidaten wie "Dracula" (fängt gut an, endet aber eher enttäuschend), "Lock & Key" und "Hollywood" (beide nett, aber kein Top-10-Material), "Messiah" (gut, aber leider eingestellt) und solide Fortsetzungen wie die fünfte Staffel von "Better Call Saul", die vierte Staffel von "Queen of the South" und die Staffeln 3 von "The Sinner" und "Marcella" aussortieren mussten.
Alles gutes Material, aber aus der Fülle von Serien-Stoff haben wir uns die folgenden 11 Serien herausgepickt: 10 haben uns im bisherigen Serienjahr 2020 begeistert, aber 1 müssen wir leider – gerade aus österreichischer Sicht – als schwerwiegende Enttäuschung abhandeln.
Das sind die TOP 10 Netflix-Serien 2020
NEVER HAVE I EVER, Staffel 1
"Noch nie in meinem Leben", so der deutsche Titel der Netflix-Serie, ist eine gelungene Highschool-Dramedy rund um die 15-jährige US-Inderin Devi Vishwakumar (Maitreyi Ramakrishnan). An der Schule ist sie mit ihren beiden Freundinnen Paxton und Eleanor in der Außenseiterrolle. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters leidet sie an einer unerklärlichen Lähmung und ist ein Jahr an den Rollstuhl gefesselt. Das ändert sich aber rasch wieder als sie beginnt, sich für Jungs zu interessieren. Als sie auf einmal wieder laufen kann, will die quirlige Devi so schnell wie möglich das Beste aus ihrem Teenie-Leben machen. Dabei schießt sie gelegentlich ein wenig übers Ziel.
Teenie-Version von "Sex Education". Hohes Suchtpotenzial für ein jüngeres Publikum! Zweite Staffel bereits in Planung.
UNORTHODOX, Miniserie
Die vierteilige Miniserie aus Deutschland erzählt von der Flucht der 19jährigen Esty Shapiro (Shira Haas) aus ihrer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Dort soll sie mit Yakov (Amit Rahav) verheiratet werden, den sie kaum kennt. Aus dieser arrangierten Ehe flieht sie nach Berlin, wo sie auf eine völlig andere, von Diversität und Freiheit geprägte Welt trifft. Doch ihr schüchterner Ehemann und ihr impulsiver Cousin sind schon auf dem Weg, um sie zurück nach New York zu holen. Die Miniserie ist trotz einer etwas idealisierten, aber beeindruckenden Darstellung der deutschen Hauptstadt und der ein wenig zu simplen Auflösung am Schluss vor allem aufgrund der guten Besetzung sehenswert.
DARK, Staffel 3
Die dritte und letzte Staffel des düsteren Zeitreise-Abenteuers aus Deutschland ist eine gelungene Auflösung der anfangs doch recht verworrenen Geschichte. Schon alleine deshalb, verdient die Serie einen Platz in den Top-10. "Dark" hat sich seit der ersten Staffel zu einer der populärsten Netflix-Serien aus Deutschland gemausert. Was anfangs wie ein Krimi rund um ein vermisstes Kind aussah, wurde rasch zu einer komplex über verschiedene Ebenen erzählten Familiengeschichte. Durch die Zeitreise in die 80er-Jahre wird aus der düsteren Fantasy-Serie auch ein schauriges Deutschlandporträt. Im Detail nicht immer perfekt umgesetzt, aber insgesamt konstant gut. Auch geeignet, um alle drei Staffeln noch einmal zu schauen, um alle Zusammenhänge besser zu durchschauen.
SNOWPIERCER, Staffel 1
Fantasy-Serie rund um einen 1001-Waggons-langen Zug, der mit den bescheidenen Resten der Menschheit an Bord, rund um den in eine tiefe Eiszeit gefallenen Planeten fährt. Die Serie des US-Senders TNT, die hierzulande bei Netflix zu sehen ist, orientiert sich eher an der Comic-Vorlage als am Kinofilm. Jedenfalls gibt es einige ganz wesentliche Veränderungen an der Handlung, auch wenn es letztendlich um eine sich anbahnende Rebellion gegen das streng-hierarchische Klassensystem im Zug geht. Neben den typischen Crime-Elementen wird vor allem Wert auf romantische Verstrickungen mit jeder Menge nackte Haut gelegt. Die durchwegs gute Besetzung – allen voran Jennifer Connelly als eiserne Lady des Zuges – verhindert jedoch das Abdriften in eine allzu oberflächliche Seifenoper, wenngleich gewisse Spurenelemente davon nicht zu leugnen sind. Eine zweite Staffel ist bereits in Planung.
DEAD TO ME, Staffel 2
Christina Applegate und Linda Cardellini brillieren in dieser düster-witzigen Netflix-Dramedy voller Sarkasmus und schwarzem Humor. Nachdem zwischen Jen (Applegate) und Judy (Cardellini) eine enge Freundschaft entstanden ist, obwohl Judy den Ehemann von Jen mit dem Auto überfahren hat und dann Fahrerflucht beging. Doch Jen hat am Ende der ersten Staffel den – nicht gerade sympathischen – Ehemann von Judy gekillt. Damit sind die beiden irgendwie quitt. In der zweiten Staffel geht es gewohnt sarkastisch weiter, mit Tendenz nach oben. Zwar könnte mehr Comedy und weniger Drama der Serie nicht schaden, aber im Endeffekt bleibt man ein wenig genervt, aber auch fasziniert an "Dead for Me" dran.
ON MY BLOCK, Staffel 3
Die untypische Coming-of-Age-Serie erzählt vom Leben der fünf Teenager Monse (Sierra Capri), Cesar (Diego Tinoco), Ruby (Jason Genao), Jamal (Brett Gray) und Jasmine (Jessica Marie Garcia) im von Straßengangs geprägten (fiktiven) Vorstadtviertel Freeridge in Los Angeles. Die Serie hat sich zum Binge-Watching-Hit auf Netflix entwickelt. Zu Recht, denn auch die dritte Staffel ist wieder eine ebenso einfühlsame wie spannende Geschichte, die düsteren Realismus mit lustigen Sitcom-Elementen verbindet. Die dritte Staffel scheint die Geschichte offen abzuschließen. Ob eine vierte Staffel kommt, ist bisher nicht bekannt.
Es wäre aber schade, wenn sich die Gagenerhöhung für die fünf Hauptdarsteller ab der dritten negativ auf eine vierte Staffel auswirken würde.
OZARK, Staffel 3
Das ein wenig an "Breaking Bad" erinnernde Crime-Drama ist auch in der dritten Staffel immer noch gut und legt sogar an Härte zu: Das Ehepaar Marty (Jason Bateman) und Wendy Byrde (Laura Linney) ist sich schon lange nicht mehr einig, wie es weiter gehen soll. In den vergangenen beiden Staffeln hat Finanzberater Marty sich und seine Familie zu sehr in ein kriminelles Netzwerk verstrickt, das von regionalen Kleinkriminellen bis zum mexikanischen Drogenkartell reicht. In der dritten Staffel gibt vor allem die abgebrühte Wendy den Ton an. Ihre Strategie heißt Expansion. Wie es letztendlich für die Familie Byrde ausgeht, wird die kommende vierte und letzte Staffel zeigen.
I AM NOT OKAY WITH THIS, Staffel 1
Die nächste Comic-Verfilmung von Netflix. Die übersinnliche Coming-of-Age-Serie basiert auf einer Comic-Vorlage von Charles Forsman, bekannt für "The End oft he F***ing World". Jonathan Entwistle ist wieder der Showrunner. Im Mittelpunkt steht die 17-jährige Sydney (Sophia Lillis), die mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in einer Kleinstadt lebt. Vor einem Jahr hat ihr Vater Selbstmord begangen. Kein Wunder also, dass Sydney verwirrt und manchmal voller Wut ist. Bei ihren unkontrollierten Wutausbrüchen kommt jedoch ein übernatürliches Element ins Spiel: Sydney entwickelt telekinetische Fähigkeiten.
Die siebenteilige Serie mit einer erfrischenden Episodenlänge von nur 30 Minuten schafft es gekonnt, die verschiedenen Genre-Elemente zu einem sehenswerten Ganzen zusammenzufügen. Das Finale der ersten Staffel erinnert an "Carrie", wirkt aber auch wie ein Intro. Oder ist es doch ein offenes Ende? Ob es tatsächlich eine Fortsetzung geben wird, ist bisher jedenfalls nicht bekannt.
ALTERED CARBON, Staffel 2
Die Fortsetzung der besten Cyberpunk-Serie aller Zeiten ist wieder brillant, aber auch vollkommen anders als die erste Staffel. Takeshi Kovac steckt diesmal nicht im Körper von Joel Kinnaman, sondern in einem Sleeve, der wie Anthony Mackie aussieht. Es gibt auch kein Wiedersehen mit den allermeisten Charakteren aus der ersten Staffel. Nur Quellcrist Falconer (Renée Elise Goldsberry) und Poe (Chris Conner) sind wieder mit von der Partie. Dafür lernen wir die knallharte Kopfgeldjägerin Trepp (Simone Missick) kennen. Während die erste Staffel eine fast schon klassische Hard-Boiled-Detective-Geschichte im Stil von Ridley Scotts "Blade Runner" war, ist die zweite Staffel eher ein Sci-Fi-Actionfilm im Stil von Paul Verhoevens "Total Recall". Die zweite Staffel kann die erste vielleicht nicht überbieten, hält aber das hohe Niveau. Beide Staffeln bieten Science-Fiction vom Feinsten.
SEX EDUCATION, Staffel 2
Ganz ähnlich ist es auch mit der Fortsetzung von "Sex Education": Die für echte Teenies (die würden eindeutig "Never Have I Ever" bevorzugen) viel zu versaute Highschool-Serie hält in der zweiten Staffel das hohe erzählerische Niveau. Der praktisch schwer verklemmte, aber theoretisch durchaus Sex-erfahrene Otis (Asa Butterfield) torkelt weiterhin wie ein Elefant im Porzellanladen durch sein eigenes Liebesleben. Allen ist natürlich klar, dass Otis und die hinter ihrer abgebrühten Fassade sehr verletzliche Maeve (Emma Mackey) füreinander bestimmt sind. Aber die Geschichte spannt das Publikum gekonnt auf die Folter und der Cliffhanger ist diesbezüglich nahezu grausam. "Sex Education" ist als nostalgisch-zeitlose Highschool-Teenie-Serie für Erwachsene kaum zu überbieten.
Die FLOP-Netflix-Serie 2020
FREUD, Staffel 1
Kommen wir zum Serien-Flop des bisherigen – und wohl auch gesamten – Jahres: Leider handelt es sich dabei um die erste Netflix-Serie aus Österreich vom Wiener Produzent, Regisseur und Drehbuchautor Marvin Kren.
Sprechen wir zuerst über das Positive. Die visuelle Inszenierung ist durchaus gelungen. Das Wien des 19. Jahrhunderts erinnert oft an das düstere London in der Horror-Serie "Penny Dreadful". Georg Friedrich beeindruckt mit seiner Darstellung des Polizisten Alfred Kiss. Weitere schauspielerische Highlights sind Brigitte Kren als Leonore, die Haushälterin von Freud, Christoph Krutzler als Kiss' Kollege Poschacher und Anja Kling als Gräfin Sophia von Szápáry. Doch leider können auch sie das holprige Drehbuch und vor allem die – von den Genannten abgesehen – weitgehend schlechte Besetzung nicht ausbügeln.
Acht Episoden lang verzettelt sich die prätentiöse Mystery-Serie rund um den jungen Sigmund Freud, gespielt von Robert Finster, in wirren Handlungssträngen, die letztendlich nie wirklich zueinander finden. In einem Handlungsstrang geht es um die geheimnisvolle Verschwörung eines Geheimbundes gegen die Monarchie, bei der das übersinnliche Medium Fleur Salomé (Ella Rumpf) eine zentrale Rolle spielt. Im anderen Handlungsstrang geht es um einen brutalen Mord, in dem der Polizist Alfred Kiss ermittelt.
Die Verschwörung rund um Fleur soll das Mystery-Element sein, die Mordfälle rund um Kiss ein spannender Crime-Thriller. Als verbindendes Element wäre eigentlich Sigmund Freud gedacht. Doch Robert Finster scheitert mit seinem ausdruckslosen Schauspiel gänzlich an dieser Aufgabe. Finster ist zweifelsfrei die Fehlbesetzung des Jahres. Doch die schlechte Besetzung endet nicht bei der Hauptrolle. Selten zuvor ist eine Serie so klar an der über weite Strecken schlechten Besetzung gescheitert, so dass manchmal sogar der Eindruck von einem Laientheater entsteht.