"Der Junge und der Reiher": Symbolik des Films erklärt

Was bedeuten die Symbole in "Der Junge und der Reiher"?
In "Der Junge und der Reiher" lässt uns Studio Ghibli wieder in eine bunte Fantasiewelt eintauchen.

Hayao Miyazaki ist das Mastermind hinter Klassikern wie "Chihiros Reise ins Zauberland", "Prinzessin Mononoke" oder "Mein Nachbar Totoro". Zehn Jahre hat es gedauert, doch nun ist ein neuer Film von ihm auf der großen Leinwand zu sehen. In "Der Junge und der Reiher" erzählt er die Geschichte des zwölfjährigen Mahito, der kurz nach dem Tod seiner Mutter eine Stiefmutter bekommt und in ein neues Dorf zieht. Auch wenn der Film stilistisch stark an die bisherigen Werke von Miyazaki angelehnt ist, ist die Handlung deutlich kryptischer. Es werden viele Fragen offen gelassen und viele Symbole nicht erklärt. 

Hayao Miyazaki hat vorab kein einziges Interview zum Film gegeben und keine Interpretation veröffentlicht. Es gibt dadurch keine allgemeingültige Leseart dieses verschachtelten aber dennoch wunderschönen Films.

"Der Junge und der Reiher": Symbolik des Films erklärt

Mutter und Sohn wieder vereint.

Trauerarbeit

Im Zentrum des Films steht das Trauma und der Verlust des Jungen. Die Handlung ist während des Zweiten Weltkriegs angesiedelt. Ein Krieg, der die Weltordnung, so wie wir sie jetzt kennen, entscheidend geprägt hat, auch in Japan. Mahitos Welt wird von zwei Tragödien bestimmt, einerseits vom gesellschaftlichen Chaos, das durch Krieg und Vernichtung symbolisiert wird, andererseits vom persönlichen Weltuntergang, der durch den Tod der Mutter verdeutlicht wird. Wie die Gesellschafft muss auch Mahito nach all dem Leid versuchen, sich eine neue Zukunft aufzubauen. 

Als Metapher für Mahitos Zerrissenheit dient die Parallelwelt, die sich im mysteriösen Turm am Grundstück seiner Tante und Stiefmutter verbirgt. Dort wird er mit Schwierigkeiten und Hürden konfrontiert, durch die er lernt, seine Trauer zu verarbeiten. Eine Kernfrage ist für ihn dabei die Akzeptanz des Neuen, das durch seine Stiefmutter Natsuko symbolisiert wird. 

Im Laufe der Geschichte bekommt er die Wahl, aus dem Turm zu entkommen und in die reale Welt zurückzukehren doch dazu müsste er Natsuko zurücklassen. In diesem Moment entscheidet Mahito sich jedoch gegen seine Freiheit und für die Liebe zu seiner neuen Mutter und begibt sich wieder in den Turm. 

"Der Junge und der Reiher": Symbolik des Films erklärt

Der Mensch im Reiher.

Mensch und Natur

Einer der wichtigsten Figuren des Films ist der Reiher. Zu Beginn tritt er als poetisches Wesen in Erscheinung, doch schon bald zeigt er sein wahres Gesicht: Er ist ein Weltenwanderer, der Mahito ins Abenteuer schickt und symbolisch für die Beziehung zwischen Menschen und Natur steht. Im Reiher steckt nämlich eigentlich ein Mensch, der mit dem klischeehaften Bild der reinen und liebevollen Natur bricht. Genauso wie die Pelikane, die in der Fantasiewelt Seelen fressen müssen, weil es keine Fische gibt, zeigt der Reiher, dass es der Natur nicht um Schönheit, sondern ums Überleben geht. 

"Der Junge und der Reiher": Symbolik des Films erklärt

Das Ende von "Der Junge und der Reiher" ist eine große Metapher.

Was bedeutet das Ende von "Der Junge und der Reiher"?

Der gesamte Film aus dem Hause Ghibli spitzt sich am Ende nochmals zu, als Mahito auf seinen Großonkel trifft, der eine Art Gott der Fantasiewelt ist. Durch kleine, aus Grabsteinen gemeißelte Bausteine baut er regelmäßig einen Turm, der für die Kreation der Welt steht. Die Grabsteine könnten dabei eine Parallele zu den Kriegstoten darstellen. Er versucht, seine Fantasiewelt in Balance zu halten, doch seine Kraft schwindet, weshalb er Mahito die Nachfolge als göttliche Macht übertragen möchte.  

Hier steht der Junge vor einem großen Dilemma: Er muss sich entscheiden, ob er in der realen Welt leben möchte, in der seine Mutter tot ist und das Land durch den Krieg in Trümmern liegt oder ob er in der Fantasiewelt bleiben möchte, die er ganz nach seinen eigenen Gedanken kreieren kann, ohne sich mit negativen Gefühlen auseinandersetzen zu müssen. Mahito entscheidet sich dafür, in die reale Welt zurückzukehren und akzeptiert, dass Schmerz ein essentieller Bestandteil des Lebens ist und er versuchen muss, seine echte Welt in Balance zu bringen. 

Hier zeigt sich die überaus menschliche Seite von Miyazakis Fantasiewerk: Wenn die Realität zu unerträglich wird, flüchten wir uns in die Fiktion. Diese Fiktionen können Ideologien, Religionen oder auch die Kunst sein, sie machen Mahitos Schmerz erträglicher. Doch auch wenn seine Mutter tot und sein Vater Kriegsprofiteur ist, versucht er sich für das Gute in der Welt einzusetzen und den Blick auf die Realität nicht zu verlieren – womit "Der Junge und der Reiher" am Ende auch eine hoffnungsvolle Botschaft bereit hält.

"Der Junge und der Reiher" ist aktuell im Kino zu sehen. Hier geht's zum Kinoprogramm!