"Birds of Prey": Warum Harley Quinn nicht hält, was sie verspricht
"Birds of Prey (And the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn", so der Originaltitel des neuesten DC-Superheldenfilms, bleibt an den Kinokassen unter den Erwartungen. In Nordamerika spielte der Film über das Startwochenende lediglich 33,3 Mio. Dollar ein. Die Erwartungen lagen deutlich höher, bei 45 bis 55 Mio. Dollar. Auch international blieb das Superheldinnen-Abenteuer unter den Erwartungen. Insgesamt hat "Birds of Prey" laut Box Office Mojo bisher knapp 80 Mio. Dollar in die Kinokassen gespült. Die Produktionskosten lagen bei 84,5 Mio. Dollar. Das Marketing-Budget beträgt bei großen Hollywood-Produktionen meist noch einmal so viel. Von dem in den USA erst ab 17 Jahren freigegebenen Film (R-Rated) war ohnedies kein Blockbuster-Ergebnis erwartet worden, aber dennoch sollte das Einspielergebnis am ersten Wochenende deutlich über den Produktionskosten liegen.
Insbesondere nach dem kommerziellen Erfolg von "Joker" ist "Birds of Prey" daher für Warner Bros. eine Enttäuschung. "Joker" spielte bei einem Produktionsbudget von 55 Mio. Dollar sagenhafte 1,07 Mrd. Dollar ein.
Aber Geld ist ja nicht alles! Die Kritiken von "Birds of Prey" waren zumindest in den USA eher positiv. Im deutschsprachigen Raum hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Auch wir haben "Birds of Prey" nur eine durchschnittliche Bewertung gegeben.
3 Gründe, warum DC mit "Birds of Prey" wieder voll daneben liegt
Zunächst gibt es einige Gründe, warum "Birds of Prey" als Film nur bedingt funktioniert: Harley (Margot Robbie) stiehlt allen anderen Charakteren die Show. Trotzdem gibt es bei ihr, aber auch allen anderen Charakteren keine oder kaum eine Charakterentwicklung. Dadurch bleibt auch das spannende Thema der Emanzipation viel zu oberflächlich und erhält nicht so eine durchdringende Relevanz wie die sozialen Themen, die etwa bei "Joker" mitschwingen. Der Film bleibt trotz zahlreicher F-Bombs und einigen brutalen Actionszenen viel zu zahm, wodurch eine Diskrepanz zur Crazyness von Harley Quinn entsteht. Der bissige Humor zündet nicht annähernd so gut wie bei "Deadpool". Das Team kommt viel zu spät zusammen und es gibt so gut wie kein Team-Building (wie etwa bei "Guardians of the Galaxy"). Und so weiter, und so weiter.
Davon abgesehen sehen wir vor allem drei Gründe, warum "Birds of Prey" für DC und Warner Bros. wieder eine Enttäuschung geworden ist:
Der Film weiß nicht, was er will
Das beginnt schon beim Titel: Mit "Birds of Prey" kann – von Fans der DC-Comics abgesehen – niemand etwas anfangen. Aber egal. Harley Quinn hat die Party ohnedies gecrasht und aus dem Film eine Harley-Show gemacht. Trotzdem beschränkte sich die Marketing-Kampagne für den Film im Wesentlichen auf bunte Charakter-Poster von DC-Heldinnen, die kaum jemand kannte. Zwar wurde auf die Strahlkraft von Harley Quinn gesetzt, aber ohne dem nicht so sehr mit Comics vertrautem Publikum den Bezug zu Batman, Gotham City oder – aus aktuellem Anlass – dem Joker zu erklären. Schon klar, dass weder Batman noch der Joker im Film vorkommen. Der Punkt ist: Offensichtlich haben DC und Warner Bros. die Zugkraft von Harley Quinn beim Kinopublikum überschätzt.
Da kommt auch die improvisierte Umbenennung des Films in "Harley Quinn: Birds of Prey", wie in manchen US-Kinos, viel zu spät.
Auch beim R-Rating (USA ab 17, hierzulande ab 16 Jahren) lag Warner Bros. diesmal wohl eher daneben. Mit "Joker" hat DC zwar eindrucksvoll gezeigt, dass ein R-Rating kein Bremsklotz für den kommerziellen Erfolg sein muss. Aber weder die Story, noch die Charaktere und deren Entwicklung erfordern die strengere Altersfreigabe. Anders als der düstere "Joker" oder der durch und durch versaute "Deadpool" würde "Birds of Prey" auch problemlos ohne die zahlreichen F-Bombs (also die übermäßige Verwendung des Wortes "Fuck") und einzelne brutale Actionszenen funktionieren.
Noch dazu will "Birds of Prey" ein Girl-Power-Film sein – oder ein Mädels-Film. Mit dem – in diesem Fall – unnötigen R-Rating sind wohl an den Kinokassen viele Mädchen unter 17 Jahren als Zielgruppe verloren gegangen, die Harley Quinn und den Film wohl durchaus cool fänden. Für ein erwachsenes Publikum war das "Women Empowerment"-Thema im Film aber zu oberflächlich und der Humor zu zahm.
Schließlich sei auch noch das Team-Building erwähnt: Wenn eine Girl-Gang im Mittelpunkt stehen soll, warum kommen die Mädels dann erst im letzten Drittel des Films zusammen? Und warum bleiben dann alle Frauen neben Harley ziemlich blass? Auch hier kann sich der Film nicht entscheiden, was er sein will.
Die Comic-Fans werden vor den Kopf gestoßen
Harley Quinn war in "Suicide Squad" (2016) der Liebling der Fans, weil sie in einem ansonsten eher mittelmäßigen Superheldenfilm die perfekte Kino-Adaption der Comic-Figur war: Verwegen. Gefährlich. Sexy. Unberechenbar. Vollkommen durchgeknallt, aber trotzdem irgendwie liebenswert.
In "Birds of Prey" ist Harley Quinn einfach nicht so cool wie in "Suicide Squad". Am Anfang haben wir es mit einer weinerlichen Harley zu tun, die von Mr. J verlassen wurde. Aber auch im Laufe des Films wird aus ihr nicht mehr die verwegene und brandgefährliche Harley aus "Suicide Squad". Sie schafft es nicht den Film alleine zu tragen, was sie bei ihrem letzten Auftritt ja auch nicht musste.
Leider verzichtet "Birds of Prey" aber darauf, die titelgebenden Superheldinnen als starke Charaktere einzuführen. Im Gegenteil: Die DC-Heldinnen werden als Plot-Tools instrumentalisiert. Am besten kommt noch Black Canary (Jurnee Smollett-Bell) weg. Die angedeutete Emanzipation bleibt bei ihr aber ebenso oberflächlich wie bei Renee Montoya (Rosie Perez) und bei Harley selbst. Renee Montoya ist im Film eine ältere Polizistin, die immer von ihren männlichen Kollegen übervorteilt wurde. Das entspricht ganz und gar nicht der Comic-Figur, die sich als lesbische Frau in der Männerwelt von Gotham City nicht unterkriegen lässt. Huntress (Mary Elizabeth Winstead) ist nur eine Nebenfigur, die für die Handlung nicht wirklich relevant ist. Cassandra Cain (Ella Jay Basco) wird sogar als MacGuffin verheizt. Im Comic ist sie eine der gefährlichsten Killerinnen der Welt, die kaum ein Wort spricht. Im Film ein diebischer Teenager. So kann man DC-Fans nur verärgern.
Kurz gesagt: Der durchaus ambitionierte Film holt die Fans der DC-Comics einfach nicht ab. Sie werden mit Figuren, die ihren Comic-Heldinnen nicht gerecht werden, vor den Kopf gestoßen. DC-Fans zu vergraulen, ist aber keine gute Idee, wenn gleichzeitig auch das allgemeine Kinopublikum nicht viel mit dem Film anfangen kann.
Typisches Dilemma der DC-Superhelden
Die unterschiedliche Performance der DC-Filme "Birds of Prey" und "Joker" – nicht nur an den Kinokassen, sondern bei Kritikern und Fans – ist ein Dilemma, mit dem Fans der DC-Superhelden leben müssen. Denn anders als der ewige Konkurrent Marvel setzt DC (ähnlich wie auch bei den Comics) stärker auf die kreativen Visionen einzelner Künstler als auf die kreative Kontrolle durch einen Mastermind wie Kevin Feige. Warum das so ist, haben wir hier schon einmal beleuchtet:
Filmemacher wie Christopher Nolan ("The Dark Knight"), Zack Snyder ("Man of Steel", "Batman vs. Superman"), David Ayer ("Suicide Squad"), Patty Jenkins ("Wonder Woman"), James Wan ("Aquaman"), David F. Sandberg ("Shazam") und zuletzt Todd Phillips ("Joker") und Cathy Yan ("Birds of Prey") hatten und haben bei DC und Warner Bros. wesentlich mehr Freiheiten als bei Marvel und Disney. Das kann auf der einen Seite zwar zu Meisterwerken wie "The Dark Knight" und "Joker" führen, auf der anderen Seite aber auch zu Enttäuschungen wie "Batman vs. Superman" oder "Justice League".
Der Erfolg ist sehr stark von der Vision abhängig, die der Künstler für den jeweiligen Film hat. Oft weichen die Vorstellungen der Filmemacher deutlich von den Comic-Vorlagen ab und sind auch mit anderen DC-Filmen nur schwer unter ein Dach zu bringen.
In diesem Fall haben DC und Warner Bros. der Vision von Margot Robbie für Harley Quinn vertraut. Sie hat die Idee entwickelt und den Film mit Regisseurin Cathy Yan und Drehbuchautorin Christina Hodson für Warner Bros. produziert. Zwar gab es offenbar noch einen Nachdreh der Actionszenen mit Spezialist Chad Stahelski ("John Wick"), aber das hat nichts an der schwachen Geschichte und den blassen Figuren geändert.
Fazit: Bei DC weiß man im Vorhinein nie, was man an der Kinokasse bekommt. Diesem Dilemma werden DC-Fans wohl auch in Zukunft nicht entkommen. Aber das kann man ja auch positiv sehen: Im Marvel Cinematic Universe (MCU) wäre eine überraschende Abweichung vom Standardmodell des Superheldenfilms wie "Joker" wohl nicht möglich.