Nachtreise

Nachtreise

A , 2002

Ein kurdisches Wiener Kellerlokal ist der Schauplatz dieses semidokumentarischen Kammerspiels.

Nachtreise
Min.
Start. 13.02.04

Nachtreise beginnt als Alltagsbeschreibung: Ein Kellerlokal in einem Wiener Außenbezirk dient als Treffpunkt türkischer Immigranten, die meisten von ihnen ohne Arbeit und österreichische Staatsbürgerschaft, denn das eine ist ohne das andere kaum möglich. Männer, die ohne jedwede soziale Absicherung auf Tageslohn angewiesen sind, ein Umstand, der ihren potenziellen Arbeitgebern sehr wohl bewusst ist und entsprechend ausgenützt wird. Das Angebot zur Schwarzarbeit um zweihundert Schilling pro Tag auf einer niederösterreichischen Baustelle nehmen am Beginn des Films dennoch einige an trotz des unverschämt niedrigen Lohnes, trotz der Tatsache, dass sie selbst dieses wenige Geld vermutlich nie zu sehen bekommen werden. Die noch Hoffnung haben, brechen auf, Nachtreise bleibt bei den anderen im Lokal zurück. Die scheinbar alltägliche Routine bestimmt zunächst die Erzählung, die sich in erster Linie auf die Beobachtung von einzelnen Momenten stützt: Die Musik, das Kartenspiel und die kargen Gespräche der Gäste bilden hier eine familiäre Atmosphäre, in der sich die Kamera vor allem für Details interessiert. Das Kochen von Suppe, dem scheinbar einzigen Gericht des Lokals, das Verteilen der Spielsteine am Tisch, das wiederholte Auswechseln der Sicherung, wenn wieder einmal der Strom ausgefallen ist. Selten führt Kiliç ins Freie, doch selbst hier erscheinen die Auslagen der Geschäfte wenig glamourös, und für Cemo, der an diesem Leben zwischen Arbeitslosigkeit und Illegalität zerbrechen wird, verdichten sich die dunklen Zeichen: Starr beobachtet er das Abschuppen eines Fisches am Markt als grausamen Vorgang, und wie er selbst scheinen die gefangenen Fische im Becken nach Luft zu schnappen. Doch es ist keine metaphorische Bedeutungsschwere, die die Bilder von Nachtreise charakterisiert, sondern ein unmittelbarer Blick desjenigen, dessen Wahrnehmung keine andere Sicht auf die Dinge mehr erlaubt. Kiliç beschreibt die innere Leere, die in den Menschen entsteht, wenn ihnen die Wurzeln entrissen werden. Ein soziales Netz ist nur für jene da, die sich darüber befinden, um im Fall des Falles aufgefangen zu werden. Für Cemo und seine Freunde als illegale U-Boote besteht nicht einmal die Gefahr hindurchzufallen. (Michael Pekler)

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