Charles Burnett ist vielleicht einer der wichtigsten afro-amerikanischen Filmemacher, und doch ist er eigentlich berühmt dafür, nicht berühmt zu sein. Einem breiteren Publikum sogar nahezu unbekannt. Trotz vieler Auszeichnungen, Ehrungen und Retros-pektiven ist er nur einem eingeweihten Kreis Cinephiler ein Begriff. Seine Art Filme zu machen wird mit jener Renoirs, Ozus oder Altmans in einem Atemzug genannt. Charles Burnett entfaltet vielschichtige Figuren, entwickelt dichte, komplexe Geschichten, die persönliche Schicksale mit kulturellen Zuordnungen bis in kleinste Details durchdringen. Er arbeitet gerne mit «echten» Menschen, lieber als mit Schauspielern. Und die Orte und Schauplätze seiner Heimatstadt Los Angeles, in der fast alle seine Filme spielen, sind mindestens ebenso wichtig, wie die Ereignisse, die in ihnen stattfinden. Nach dem überwältigenden ersten Spielfilm Killer of Sheep (1977), ensteht 1983 mit britischen und deutschen Fernsehgeldern Charles Burnetts zweiter Low-Low-Budget-Film: My Brothers Wedding. Die Geschichte spielt in South Central Los Angeles und erzahlt von einem nicht mehr ganz jungen Mann namens Pierce Mundy, der noch nicht sehr viel aus seinem Leben gemacht hat und es an einem entscheidenden Punkt nicht schafft, eine wichtige Entscheidung zu treffen. Burnett beobachtet Pierce Mundys tägliches Leben in undramatischen Momenten, schweift immer wieder vom eigentlichen Kern der Geschichte ab, die man leicht als ein typisches Melodrama hätte inszenieren können. Er zeigt damit meisterhaft, wie man dem reinen Eskapismus à la Hollywood spielerisch entkommen kann. Das Ergebnis ist ein hautnaher, fast dokumentarisch anmutender, sehr lebendiger Einblick in das Leben einer schwarzen Mittelschichtfamilie in Los Angeles Ende der 1970er Jahre. Astrid Ofner Charles Burnett
(Text: Viennale 2008)
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