Ich, Pierre Rivière, der ich meine Mutter, meine Schwester und meinen Bruder getötet habe
Film

Ich, Pierre Rivière, der ich meine Mutter, meine Schwester und meinen Bruder getötet habe

Moi, Pierre Rivière, ayant égorgé ma mère, ma soeur et mon frère ... F , 1976

Am 3. Juni 1835 ermordet der 20-jährige Pierre Rivière drei Menschen. Kaum ein historischer Kriminalfall ist so ausführlich dokumentiert wie die Geschichte Rivières.

Ich, Pierre Rivière, der ich meine Mutter, meine Schwester und meinen Bruder getötet habe
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Am 3. Juni 1835 ermordete Pierre Rivière, ein junger Mann aus dem kleinen Ort Aunay-sur-Odon in der Normandie, mit einer Sichel seine Mutter und zwei Geschwister: Patrizid, der Elternmord, das schlimmste Verbrechen im 19. Jahrhundert. Ein Junge, der sich in einem hoffnungslosen Familienkonflikt verloren hatte. In den 70er Jahren stöberte Michel Foucault das Rivière-Material im Archiv von Caen auf und verarbeitete es zu einem Buch: Verhör- und Prozessprotokolle, Zeitungsberichte, medizinische und psychologische Gutachten, und vor allem das berühmte «Memoire» des Täters, in dem er die Vorgeschichte erzählt, seine Tat beschreibt und erklärt. Pierre Rivière wurde erst zum Tode verurteilt, dann begnadigt und nahm sich schließlich im Gefängnis das Leben. 1976 hat René Allio dieses Buch mit den Bauern der Region verfilmt, hat in kleinen Miniaturen das Geschehen nachspielen lassen und dabei das Verwundern, die Beklemmung, das Grauen darüber reflektiert: Moi, Pierre Rivière, ayant égorgé ma mère, ma sour et mon frère ... , hieß der Film, nach dem Satz, mit dem das «Memoire» begann: «Ich, Pierre Rivière, der ich meine Mutter, meine Schwester und meinen Bruder getötet habe». Einer von Allios Assistenten damals war Nicolas Philibert, der nun an den Drehort zurückgekehrt ist, dreißig Kilometer vom Schauplatz des Verbrechens entfernt, die Akteure von damals besucht und in Retour en Normandie ihre Erfahrungen mit den seinen zusammengebracht hat. (Fritz Göttler) Allio beherrscht die Kunst des Realisten. Er dreht einen genauen, präzise und behutsam kadrierten Film über den Fall Rivière. Der Film zeigt Perspektiven dieses ganzen Lebens: die Armut und die Arbeit der Bauern, den Luxus der Gefühle, den sich keiner leisten kann, Krankheit und Streit der Eltern, die düsteren Zimmer, das Stemmen gegen psychische Verwahrlosung, die Isolierung Pierres, die distanzierte Neugierde des Dorfes. Das Unbegreifliche liegt unter Schichten des Selbstverständlichen. Die Erde versagt jeden Trost. (Elisabeth Büttner)

(Text: Viennale 2007)

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