MENSCHENFREUND AUS MENSCHENTEILEN

Welche Namen trägt eigentlich Dr. Frankensteins Kreatur? Erwischt! Sie hat nämlich gar keinen. Wir mussten bis zum vorliegenden Film warten, um zu erfahren, dass die unsterbliche Menschenteilmischung eigentlich Adam – also ganz sinnig „Der Mensch“ – heißt oder zumindest so getauft wurde und das mit ziemlicher Verspätung. Als Adam den Namen erhält, sind bereits 200 Jahre seit seiner künstlichen Geburt vergangen und der Hüne hat nach einer Rückzugsphase in die Einsamkeit sogar eine humanitäre Aufgabe gefunden: Dunkle Kreaturen wollen nämlich hinter das Geheimnis von Adams Schöpfung kommen, um dann als Herren über Leben und Tod die Menschheit auszulöschen. In der stark an Paris erinnernden Großstadt Darkhaven wird Adam in den Krieg zwischen guten Gargoyles und bösen Dämonen verwickelt und ergreift für die Menschen Partei.

Aaron Eckhart hat bereits in „The Dark Knight“ als Harvey ‚Twoface‘ Dent einen Mann mit Persönlichkeitsschwankungen gespielt. Hier stellt er das angeblich seelenlose Monster sehr menschlich dar und leistet sich sogar zaghafte Liebesgefühle zu einer Ärztin. Sein Erscheinungsbild ist nicht an Boris Karloff orientiert: er wirkt beinahe zivilisiert – höchstens wie ein Mann, der sich etwas ungeschickt rasiert hat; und unter bestimmten Lichtverhältnissen sind nicht einmal die Narben auf seiner Haut zu sehen.

Bei einem derartig konfliktreichen Plot geht ein Hauptteil der Filmhandlung natürlich mit lichtintensiven Schlachten drauf. Sobald ein Dämon mit speziell markierten Waffen zur Strecke gebracht wurde, verglüht der Körper und setzt einen Feuerball frei, der Richtung Hölle fährt; wenn es hingegen einen Vertreter der Guten erwischt, steigt dessen Seele in einem blauen Leitstrahl gen Himmel. Ein wirklich buntes Treiben, das sich erstaunlich unbemerkt vollzieht, denn obwohl die spektakulären Kämpfe zwischen Gut und Böse in einer riesigen Kathedrale oder über den Dächern von Darkhaven toben, bleibt auf den Straßen alles ausgestorben und kein Mensch scheint Notiz davon zu nehmen.

Kevin Grevioux, Co-Autor am „I, Frankenstein“-Skript und Verfasser der zugrundeliegenden Graphic Novel, beeinflusste als Ideengeber bereits die „Underworld“-Saga. Womit auch schon der entscheidende Titel genannt wäre: der aktuelle Film orientiert sich auf den ersten Blick ziemlich stark an diesen Vorgängerwerken. Statt Werwölfen und Vampiren treten hier eben Gargoyles und Dämonen gegeneinander an. Mit Bill Nighy wurde obendrein ein führender Darsteller aus der „Underworld“-Welt nach Darkhaven verpflanzt und spielt unter anderem Namen eine beinahe identische Rolle.

Trotzdem treibt „I, Frankenstein“ diese Anleihen nicht zu weit und entwickelt ziemlich bald einen ganz eigenen Reiz mit starken Dark Gothik-Akzenten. Das Werk kann als stimmige Fortführung des Frankenstein-Mythos gelten und würde durchaus ein Sequel vertragen, in dem es dann hoffentlich nicht ganz so monoton bunt hergeht: es warten doch bestimmt noch ein paar Vertreter der Finsternis darauf, von dem menschenfreundlichen Monstrum höllenwärts geschickt zu werden. Ich verbrenne mir auf jeden Fall bei der aktuellen Bewertung an 6 von 10 dämonischen Feuerbällen die Finger.

(franco schedl)