LITTLE ORPHAN ANNIE IST IM 21. JAHRHUNDERT ANGEKOMMEN

Singende Waisen haben schon immer unsere Herzen gerührt. Das war bereits 1982 so, als der rothaarige Wuschelkopf Aileen Quinn in John Hustons Musical-Verfilmung publikumswirksam losträllerte - und auch die aktuelle Version mit dem Oscar-Nominierten Energiebündel Quvenzhané Wallis („Beasts of the Southern Wild“) wird da keine Ausnahme von der Rührungs-Regel machen.

Die lebendig gewordene Comicstrip-Figur „Little Orphan Annie“ ist 2014 als vollwertiges Mitglied der Facebook & Twitter-Generation unübersehbar im 21. Jahrhundert angekommen und hat obendrein die Hautfarbe gewechselt. Das Waisenkind teilt sich ein Zimmer mit fünf anderen Kindern in der chaotischen Wohnung einer verbitterten Ziehmutter, die einer verpassten Gesangskarriere nachtrauert und ihren Frust in Alkohol ertränkt.

Als Annie vor ein fahrendes Auto stolpert, rettet ihr der zufällig vorbeikommende schwarze Milliardär Stacks das Leben. Natürlich hat ein eifriger Zeitgenosse den Vorfall mitgefilmt, und wenig später ist die Szene zum YouTube-Hit geworden. Da der ziemlich egomanische Stacks gerade auf Stimmenfang für die Wahl zu New Yorks Bürgermeister ist, dabei jedoch wenig publikumswirksam auftritt, wittert sein PR-Berater sofort eine Riesenchance und bringt den Chef dazu, Annie für einige Zeit unter den Augen der Öffentlichkeit bei sich daheim im protzigen Appartement aufzunehmen.

Selbstverständlich krempelt das kleine Energiebündel mit seiner natürlichen Art auch den grummeligen Ersatzvater in Windeseile um; was man schon daran erkennt, dass der stocksteife Workaholic plötzlich beherzt mitzusingen beginnt, wenn seine Umwelt auch gerade in Musical-Laune ist - zum Glück, denn Jamie Foxx verfügt zweifellos von allen Mitwirkenden über die beste Stimme (was sich bei einem Mann, der einmal „Ray“ gewesen ist, ja wohl von selbst versteht).

Als Fehlbesetzung erweist sich hingegen Cameron Diaz: das lockere Auftreten und ihre pausenlose Flirtbereitschaft, um sich einen steinreichen Mister Right zu angeln, erinnern zwar an ihre Rolle in "Bad Teacher", doch das Talent, eine Betrunkene zu spielen, kann man ihr diesmal nicht zusprechen. Was sie hier bietet, artet eher in chaotisches Schmierentheater aus.

Obwohl in dieser Version nicht alle Elemente der Vorlage glücklich umgesetzt wurden (manche Szenen ergeben einfach wenig Sinn und werden auch dementsprechend lustlos rasch inszeniert, wie z.B. die Verfolgungsjagd beim Finale), ist "Annie" ein liebenswert zeitgemäßes Musical-Remake mit einer großartigen kindlichen Hauptdarstellerin. Eine Filmwelt, in der sogar Presslufthämmer richtige Musik machen, muss man einfach gerne haben. 7 von 10 leicht dahingeträllerte Zustimmungstöne.