Wer hätte gedacht, dass es so etwas geben kann: einen Godard-Miévilleschen Heimatfilm. Es geht um die Region, in der die beiden Filmemacher sich seit langem niedergelassen haben (und die in mannigfacher Weise auch in ihren Spielfilmen auftaucht) - das Waadtland, den Kanton Waadt oder den canton de Vaud (in dessen Flagge die Worte "Liberté et Patrie" stehen). Wie bei Godard/Miéville nicht anders zu erwarten, werden hier jedoch nicht nur Kantonsgrenzen überschritten, sondern auch video-ästhetische Positionen weit hinausgeschoben. Ihr Film ist, obwohl in der Stimmung vielleicht heiterer oder gelöster, in formaler Hinsicht durchaus andern Auftragsarbeiten aus dieser Zeit gleichzustellen. Die Fiktion gewinnt hier, vor allem durch simple bildliche Überzeugungskraft, die Dimension des Realen - steht mitten in oder neben Bildern, die man sich angewöhnt hat, 'dokumentarisch' zu nennen. Wenn Godard in sein Archiv geht, spielt dieser Unterschied jedoch keine Rolle - da sind nur Bilder und Töne, mit denen man arbeiten, aus denen 'heraus' man sprechen kann. Das 'Essayistische' von Godard/Miéville ist doch eben dies: sie bilden mit gedanklich-bildlichen Funden, mit Ausschnitten aus ihrem Arsenal an Bildern, Tönen und Gesten, mit neuen Aufnahmen, mit Texten und Musik ein so undurchdringliches Gewebe, dass am Ende nur noch das 'Kunstgebilde' des Films steht. Wie alle große Kunst (etwa die Malkunst) betreiben sie die Mythisierung der Wirklichkeit - will heißen, arbeiten deren überzeitlichen Kern heraus. (Johannes Beringer)
(Text: Viennale 2007)
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Details
- Regie
- Jean-Luc Godard, Anne-Marie Mieville
- Musik
- Philippe Val, Ludwig van Beethoven