Der Film wurde während eines Winters in Noirmoutier geschrieben, wo wir ein paar Monate verbrachten. Rosalie ging über den Strand zur Schule und wir zwei schrieben an einem Szenario, allerdings nicht am selben und nicht im selben Zimmer. Was ich damit sagen will, ist, dass im Haus große Stille herrschte, abgesehen, je nach Wetterlage, vom Rauschen des Meeres oder vom Rauschen des Windes. Ich dachte an ein ähnliches Paar, das in einer Burg in einer verlassenen Gegend am Meeresufer wohnt. Ich machte Mylène (Catherine Deneuve) stumm und Edgar (Michel Piccoli), der zu schreiben versucht, schweigsam. Es gibt eine Szene, in der sich Piccoli lange mit einem dieser weißen Pferde unterhält, die frei am Land herumlaufen. Ein anderes Mal spricht er zu einem Kaninchen. Er streift umher. Und ich ließ meine Gedanken schweifen. Ich hatte Lust, einen ziemlich bösen Film zu machen. Zu Beginn war das Projekt sogar sehr grausam. Ich hatte «Les Chants de Maldoror» wieder gelesen, was übrigens auch der Grund ist, warum dieser arme Schriftsteller Ducasse hieß. Ein Text Lautréamonts hatte mich fasziniert, Kinder werden darin hinuntergestoßen, sie zerschellen, ihr Blut läuft die Wände hinunter und die Hunde kommen und lecken es auf. Ich wollte, dass mein Schriftsteller sich ausgehend von kleinen Dingen, die ihm auffallen - ein Fleck auf einer Mauer oder Babys im Kinderwagen - blutrünstige Szenen ausdenkt. Ich hätte gerne eine extreme Verschiebung zwischen ganz simplen Realitäten und der bösartigsten Fantasie, die man sich vorstellen kann, gezeigt. Und dann bekam ich Angst vor meiner eigenen Heftigkeit, ich bekam Angst vor dem Abstoßenden, das meinem Wunschszenario anhaftete. Jacques sagte: «Wie kannst du dir nur so schreckliche Dinge ausdenken?» Ich hielt es dann für besser, den Film abzuschwächen und die unheilvolle Kraft Monsieur Ducasses und seiner kleinen rosa und roten Papierstapel zu minimalen und kaum angedeuteten Handlungen und Anwandlungen von Boshaftigkeit zu reduzieren. Der Film wurde dadurch kraftlos. Aber: Es gibt dennoch Prügelszenen, was Neuland für mich war. Ich wandte mich deshalb an einen Spezialisten, Gérard Carlier. Er inszenierte die gewollt hässlichen und dummen Schlägereien zwischen Edgar und zwei Straßenverkäufern, die ihn belästigen, weil sie ihm Laken andrehen wollen, und ihm nicht von der Seite weichen, aus welchem Grund auch immer. Ich glaube, dass alle Recherchen und die Arbeit, die ich in Les Créatures gesteckt hatte, nicht zum Ziel führten und in keiner Weise geschätzt wurden, ebenso wenig der Film, der ein entsetzlicher Misserfolg war. Er hielt sich vielleicht zwei Wochen im Publicis und wurde von allen Kritikern bis auf zwei oder drei Ausnahmen verrissen. Aber er hatte auch seine Fans und Verteidiger, unter ihnen Henri Langlois, der ihn sehr mochte (aber er war ein Original, wie man weiß). Agnès Varda «Varda par Agnès» Cahiers du Cinéma & Ciné-Tamaris, 1994 (Übersetzung von Petra Metelko)
(Text: Viennale 2006)
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Details
- Schauspieler
- Catherine Deneuve, Michel Piccoli, Eva Dahlbeck, Marie-France Mignal, Britta Pettersson
- Regie
- Agnès Varda
- Kamera
- Willy Kurant, William Lubtchansky
- Author
- Agnès Varda
- Musik
- Pierre Barbaud