Wie in vielen ihrer Filme entfalten Jean-Pierre und Luc Dardenne in Le Silence de Lorna mit leiser Entschlossenheit und äußerster Ökonomie eine dramatische Geschichte und vertrauen dabei ganz auf das stoische Gesicht einer jungen Frau: Die Albanerin Lorna (Arta Dobroshi) strahlt eine Stärke und Menschlichkeit aus, der man zutraut und wünscht, dass sie allen Widrigkeiten des Lebens trotzen möge - ganz ähnlich wie die früheren Dardenne-Heldinnen Rosetta (Rosetta) und Sonia (L' Enfant). Lorna steckt in einem Dilemma, das ein wenig zu ausgefeilt wirken könnte, wäre es nicht so brillant in der belgischen, im Grunde EU-weiten Realität von Migration, Ausländerrecht, östlichen Wanderarbeitern und organisiertem Verbrechen verankert. Eine Scheinehe mit dem Junkie Claudy hat ihr eine Summe Geld und die belgische Staatsbürgerschaft eingetragen, aber auch einen faustischen Pakt mit einem lokalen Kleingangster, der wiederum mit der Russenmafia Geschäfte macht: Claudy soll mit einer Überdosis ermordet werden, damit die Witwe eine weitere Scheinehe mit einem Russen eingehen kann - was wiederum mehr Geld für sie bedeuten würde. Der Dardenne-Stammschauspieler Jérémie Renier verkörpert derart perfekt die nervenraubende Bedürftigkeit des süchtigen Claudy, dass man ihm fast selbst den Tod wünscht. Zugleich aber ist er wie ein Kind, das nicht nur Lorna bald immer dringender retten möchte. Sie entdeckt ihre wahren Gefühle in dem exakt Moment, wo es zu spät ist. Der unentrinnbare Sog dieses Films, hin zu einem beinah mythischen Ende, übertrifft an Tragik und Schönheit auch alles, was die Dardenne-Brüder schon zeigten. (Tobias Kniebe)
(Text: Viennale 2008)
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Details
- Regie
- Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne
- Kamera
- Alain Marcoen
- Author
- Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne
- Musik
- Ludwig van Beethoven
- Verleih
- Filmladen