In Un chien andalou und L'Âge d'or macht Buñuel die Traumsprache zu einer Sprache der Wirklichkeit, er arbeitet mit den unterschwelligen, verdrängten Kräften wie mit greifbaren, schmerzenden Realitäten. In seinen folgenden Filmen ging er den umgekehrten Weg: Hier war die äußere Wirklichkeit das primäre Material - aber er steigerte sie so sehr, dass sie den Charakter des Halluzinatorischen, des Traumes bekam. Der Ausschnitt der Wirklichkeit, den er in Terre sans pain schildert, übertrifft jede surrealistische Vision. In Las Hurdes, einem Landstrich in Nordspanien, traf er auf eine isolierte Volksgruppe, die ihm zu einem allgemeinen Symbol für die äußerste Erniedrigung der Menschenwürde wurde. Der kurze Film ähnelt einer Reihe ungeheuerlicher Radierungen. Goyas "Capriccios" verwandt. In Ermangelung anderer Nahrung ernährt sich die Bevölkerung mehrerer Dörfer von unreifen Kirschen. Ihre Körper sind von Schwellungen und Geschwüren entstellt. Zum großen Teil geistig zurückgeblieben, vegetieren sie in Erdlöchern und Felshöhlen. Ihre Apathie und primitiver Aberglaube erlauben keine Verbesserungen, keine Erleichterungen. Ihre Werkzeuge sind mittelalterlich. Ihre Hacken vermögen nichts gegen die ausgedorrte Erde. Kinder und Tiere sterben in der sengenden Sonnenhitze. Den Biss einer harmlosen Natter versuchen sie zu heilen, indem sie die Wunde mit einer giftigen Pflanze einreiben - so tritt der Tod durch Blutvergiftung ein. Die Rohre der Kloaken münden in den Fluss; in dem trüben Wasser baden die Aussätzigen; dasselbe Wasser wird unsterilisiert getrunken. Ein Esel verendet auf der Straße und wird von einem Bienenschwarm angefallen, zuckend liegt er unter dem dicken Teppich der Insekten. Jedes Gesicht wirkt wie ein Faustschlag: tierisch dumpfe Gesichter, von unsäglichem Schmerz versteinerte Gesichter. Gesichter von Krüppeln. Kretins und Missgeburten. Wie ist unsere Welt beschaffen, wenn es solche Lebensformen gibt - das ist die Frage, die der Film stellt. (Peter Weiss)
(Text: Viennale 2007)
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Details
- Regie
- Luis Bunuel
- Kamera
- Eli Lotar
- Author
- Luis Bunuel
- Musik
- Rafael Sánchez Ventura