Die Gefangene

Die Gefangene

La Captive F, B, , 1999

Marcel Prousts Roman «La Prisonnière» diente Akerman als Basis für ihre filmische Meditation über die Liebe als ewige Ungewissheit.

Die Gefangene
Min. 118
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Das Meer bei Nacht, gefilmt mit Super-8. Nur das Geräusch des Projektors begleitet die Bilder des stummen, unscharfen Home-Movies. Zwei junge Frauen umarmen einander fröhlich und lachend im Wasser. Die eine sagt etwas. Der Mann am Projektor spult die Stelle ein paar Mal vor und zurück, bis er anhand der Mundbewegungen die Worte erkennt: «Je vous aime bien.» («Ich habe Sie gern.») Was sagen Bilder, was die Worte? Mit dieser Anfangssequenz will die belgische Regisseurin Chantal Akerman die Zuschauer animieren, auf Details zu achten, auf jedes Bild und jedes Wort. In diesem Punkt ist sie ganz bei Marcel Proust, dessen Roman «La Prisonnière» sie als Basis für ihre filmische Meditation über die Liebe als ewige Ungewissheit und die komplizierte Beziehung zwischen Mann und Frau nahm. Die Gefangene, das ist Ariane, eine hübsche junge Frau, die in dem großen luxuriösen Apartment von Simon lebt. Simon hat sie permanent im Auge, er überwacht sie, er will alles über diese Frau wissen, die er abgöttisch liebt. Auch wenn er sie nicht einsperrt, ist sie seine Gefangene, denn wenn sie das Haus verlässt, verfolgt er sie. Der Zuschauer erlebt es aus der Perspektive von Simon. Ariane sieht man dabei immer nur von hinten, sei es im Sportwagen oder zu Fuß im engen Kleid, wie sie mit ihren langen lockigen Haaren die Straße entlanggeht. Simon folgt ihr in einigem Abstand, seine Gedanken, die Unsicherheiten, die Zweifel und Befürchtungen liegen zuweilen als Off-Stimme über dem Geschehen. Auch wenn sich Ariane nie mit einem anderen trifft, ist Simon beunruhigt. «Ich glaube, ich bin verrückt», sagt er einmal zu Ariane, die schweigt - wie fast immer. Ihre Beziehung ist von einer merkwürdigen Kühle und Distanziertheit geprägt, die zwar auf gegenseitigem Respekt beruht, aber vor allem eine Liebe markiert, die genauso leer ist wie die großen Räume im altmodisch ausgestatteten Apartment. Zwischen den Liebenden ist eine Wand, durchsichtig und undurchsichtig zugleich, so wie das geriffelte Glas zwischen seiner und ihrer Badewanne in der schönsten Szene des Films, wenn er sie beobachtet und nur ahnen kann, dass sie es ist. Andrea Dittgen «film-dienst», Oktober 10/02

(Text: Viennale 2011)

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