Eines Tages während der Arbeit zu Jane B. par Agnès V. kam Jane, sie war sehr scheu und unsicher und wollte nicht so recht mit der Sprache heraus, und schließlich sagte sie: «Ich habe vor einiger Zeit einen Text geschrieben, eine kleine Geschichte von ein paar Seiten und möchte dir das gerne zeigen.» Das war in groben Zügen die Geschichte von Kung Fu Master, eine Liebesgeschichte zwischen einer 40-jährigen Frau und einem 15-jährigen Jungen, der ein Schulfreund ihrer Tochter ist. Mir gefiel das auf Anhieb, und mein erster Gedanke war, dies in den Porträtfilm als kleine Spielsequenz einzubauen, merkte aber bald, dass Janes Text eine eigene, ganz eigenständige Sache war. Aber das Problem war, dass die Sache in der Luft hing. Sie hatte einen Burschen beschrieben, der scheu und lieb war wie ein kleines Mädchen. Und eines Tages verstand ich: Der Junge, das ist sie, das war sie, als sie vierzehn war. Und als ich ihr das sagte, da zögerte sie ein wenig und gab mir schließlich Recht. Dann erklärte ich ihr: «Wenn du einverstanden bist, erfinde ich den Jungen, einen wirklichen Jungen.» Und so kamen all die anderen Dinge dazu. Was mir an dieser Idee gefiel, war, dass es sich um eine von der Gesellschaft verurteilte Leidenschaft handelte und dass Jane selbst mit ihrer wunderbaren Mädchenhaftigkeit diese Rolle spielen sollte. Und dann, was auch schön war, dass wir den Jungen in den letzten Monaten seiner Kindheit erwischt haben. (Agnès Varda) Agnès Varda hat aus der von Jane Birkin erdachten Liebesgeschichte kein Melodram entwickelt. Das Scheitern der Beziehung zwischen der zweifachen Mutter und dem Schüler interessiert sie weniger als die Tatsache des Zusammenkommens. Das Schöne an dieser Liebesgeschichte und der Inszenierung ist, dass beide Figuren in gleicher Weise ernst genommen werden. Ihr Alters- und Erfahrungsunterschied schlägt sich nicht in einer hierarchischen Dramaturgie nieder, die dem Jungen etwa die Rolle der süßen Unschuld und der Frau den Part der reifen, abgeklärten Liebhaberin zuweist. Im Gegenteil, hier bringt die Liebe die überlieferte Ordnung gehörig durcheinander. (Ferdinand Leblanc)
(Text: Viennale 2005)
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Details
- Regie
- Agnès Varda
- Kamera
- Pierra-Laurent Chenieux
- Author
- Agnès Varda
- Musik
- Joanna Bruzdowicz, Les Rita Mitsouko, Les Bérurier Noir, PIL