"Big Eyes": KITSCH-KUNST-ETIKETTENSCHWINDEL

Da gab es einmal eine Malerin, die große Augen machte und deren Mann damit viel Geld verdiente. Margaret Ulbrich ( Amy Adams) wird uns als ungewöhnliche Frau präsentiert, die gegen Ende der 50er Jahre immerhin den Mut aufbrachte, ihren Ehemann zu verlassen, um den Lebensunterhalt für sich und ihre kleine Tochter selbst zu bestreiten. Andererseits bleibt sie jedoch ein Wesen ihrer emanzipatorisch unterentwickelten Zeit: ihr Selbstbewusstsein ist stark beschädigt, sie traut sich wenig zu und wird unter dem Einfluss ihres zweiten Mannes zu einer willenlosen und geheimen Malsklavin, was der Familie allerdings großen Wohlstand beschert. Der selbsternannte Sonntagsmaler Mr. Kean ist nämlich im Grunde ein gewiefter Geschäftsmann und baut ein Kitsch-Kunstimperium mit den großäugigen Kinderbildern seiner Frau auf, als deren Urheber er sich selbst ausgibt – ein Schwindel, den er für über ein Jahrzehnt tatsächlich aufrecht erhalten kann, bevor Margret mit der Wahrheit herausrückt und ein Gerichtsverfahren anstrebt.

Christoph Waltz in Ehren, aber in Tim Burtons neuem Film (der weder stilistisch noch besetzungstechnisch nach Tim Burton wirkt) ist er als Darsteller diesmal nur schwer erträglich. Das liegt wohl zum Teil daran, dass er eine schmierige Figur verkörpert, aber zugleich ist er selbst nicht frei von Schuld, denn er nimmt seine Aufgabe so übertrieben ernst, als gälte es, den Begriff „Schmierenkomödiant“ neu zu definieren: er tritt uns hier als penetranter Dauerlächler und Drauflosschwafler mit dem Charme eines Waschmittelverkäufers entgegen, der sich bei Bedarf ganz schnell in ein hysterisch kreischendes Nervenbündel verwandeln kann. Das erinnert weniger an Jekyll & Hyde, als die seine Figur einmal bezeichnet wird, sondern weckt eher Assoziationen an Grinsekatze & Rumpelstilzchen. Hätte sich der echte Walter Kean auch nur eine halbe Stunde annähernd ähnlich benommen, wäre der Schwindel garantiert sofort aufgeflogen.

Amy Adams hingegen spielt mit großem Einfühlungs- und Zurückhaltungsvermögen eine Person, aus der man nicht richtig schlau wird. Das Drehbuch hat es offenbar darauf angelegt, die Künstlerin als besonders labile Frau zu zeigen, die in der Opferrolle aufgeht, sich von übergeordneten Mächten manipulieren lässt und nach ihrer Trennung von Walter erst zum Alkohol greift, um sodann von den Zeugen Jehovas vereinnahmt zu werden. Warum sie es so lange nicht über sich brachte, mit der Wahrheit herauszurücken und statt dessen eine Situation aufrecht erhielt, die sie angeblich schwer belastete (sogar die eigene Tochter musste sie über ihre Mal-Aktivitäten belügen), zugleich aber dank niemals nachlassender Kreativität eine geradezu unendliche Bilderfülle produzieren konnte, bleibt ein psychologisches Geheimnis.

Man tut sich etwas schwer, die Vermarktungsstrategie der Marke ‚Kean‘ als ernstzunehmende Umtriebe auf dem Kunstsektor anzuerkennen. Sollte man sich daher entschließen, den Film als Satire auf die Kunstszene zu betrachten, wäre das zumindest nicht im Sinn des Regisseurs. Tim Burton ist ja für seinen exzentrischen Geschmack bekannt, dass aber darunter auch Keans Augen-Bilder fallen, klingt ziemlich überraschend. Tatsächlich ist der Regisseur ein langjähriger Sammler dieser Gemälde und hat auch ein paar Porträts bei der Frau in Auftrag gegeben. Sein Kollege Woody Allen hat da schon 1973 mehr satirischen Scharfblick besessen: in seiner Zukunftsgesellschaft, die er in „Sleeper“ herbeifantasiert, gilt Margret Keane als eine der größten Malerinnen der Kunstgeschichte. 7 von 10 falsch zugeordneten Pinselstrichen.

franco schedl