IM BAUCH DES KUNSTKOLOSSES

Ein Schreck durchzuckt einen, wenn der Arbeiter seine Spitzhacke zückt. Sie mit voller Wucht in den prächtigen Parkettboden des denkmalgeschützten Ausstellungsraums haut. Schade drum. Doch der destruktive Akt muss sein: Es wird umgebaut für die Kunstkammer. Da sind Kollateralschäden quasi unvermeidlich.

Über zwei Jahre lang hat der Salzburger Dokumentarfilmer Johannes Holzhausen die versteckten Winkel und Nischen des Wiener Kunsthistorischen Museums erkundet. Hat die Menschen ins Bild gerückt, die ansonsten im Verborgenen bleiben. Die das Werkel am Laufen halten und das Haus zu dem machen, was es ist: mit seiner Gemäldegalerie eines der bedeutendsten Museen zur Geschichte der Habsburger; Ort von Großausstellungen, die Touristen in Scharen anziehen; prunkvoller Veranstaltungsraum und Schule des Schauens für Kinder.

Holzhausen blickt hinter die Kulissen dieses Kunstkolosses, holt den dortigen Alltag ins Kino: Er lässt uns beim Abstauben und Bodenwischen zusehen. An trockenen Budgetsitzungen teilhaben und den Kuratoren bei der Gestaltung einer Ausstellung über die Schulter schauen. Er nimmt uns mit zu einer Mitarbeitersitzung, bei der sich eine Angestellte über die Anonymität und Größe des Hauses beklagt ("Nach elf Jahren im Besucherdienst kenne ich noch immer nicht die Leute aus den anderen Abteilungen"). Er zeigt Skurriles, wie den Beamten im grauen Arbeitsmantel, der einen Teller voller Käsekrümel für die Vögel auf den imperialen Fenstersims stellt. Er zeigt das geradezu zärtliche Zurechtrücken kostbarer Ausstellungsstücke aus der Habsburgermonarchie in einer mit rotem Samt beschlagenen Vitrine. Das schweißtreibende Bemühen eines Technikers, den Antrieb eines Modellschlachtschiffes aus dem 16. Jahrhundert wieder in Gang zu bringen. Die Jagd nach Käfern und Motten in Ritzen und Luftblasen eines kostbaren Gemäldes. Die Verabschiedung des Chefs der Rüstkammer in die Pension, die durch die feierlichen Reden, die Canapés und den Sekt ... eine Aura des Würdevollen erhält.

Schließlich kommt noch der Bundespräsident der Republik ins Haus, man sieht ihn, wie er die Kunstkammer eröffnet (was tatsächlich im März 2013 passierte).

In jeder Szene des Films ist spürbar, dass Holzhausen sich mit seiner stillen Beharrlichkeit das Vertrauen der Mitarbeiter von Direktorin Sabine Haag abwärts erarbeitet hat. Er darf ganz nahe ran, darf überall zuhören und mitschauen, ja er wird selbst zu einem Teil des Museums. Die Menschen im Kunsthistorischen mögen ihn, und so kann er sie unverstellt zeigen: Wie sie den Dingen, die sie bewahren, Bedeutung geben, indem sie auf sie achtgeben und mit ihnen arbeiten.

Die Qualität des Films definiert sich auch über seine Reduziertheit: Holzhausen verzichtet auf Off-Kommentare, Interviews und jegliche Musik. Zu Recht: Es reicht vollkommen, eine Kamerafahrt über einen Rubens, Breughel oder Rembrandt zu machen.